„Aktionismus für die Kulisse“ – so könnte man den „neuesten Wurf“ des EU-Agrarrats und der EU-Kommission bei der Bewältigung der Milchmarktkrise bezeichnen. Das zweite Maßnahmenpaket, das beim EU-Agrarrat am Montag beschlossen wurde, sieht die Erlaubnis einer freiwilligen Mengensteuerung auf dem Milchmarkt durch die Milchwirtschaft vor.
Milchmarktkrise: Es fehlt ein wirklich konsequentes Vorgehen des EU-Agrarrats
Molkereien und Erzeugerorganisationen sollen demnach zeitlich befristet, freiwillige Absprachen über die Begrenzung oder Verringerung der produzierten und vermarkteten Milchmengen treffen dürfen. Dafür will die EU-Kommission Ausnahmen im Kartellrecht gewähren.
Was zunächst gut klingt, weil endlich anerkannt wird, dass es nötig ist, in der Krise auch auf Angebotsseite zu handeln und Milchmengen vom Markt zu nehmen, zeigt sich bei näherem Hinsehen allerdings als praktisch viel zu kurz gedacht.
Man geht einen kleinen Schritt in die richtige Richtung, legt ihn aber so an, dass er ganz offensichtlich nicht funktionieren kann. Die politischen Vertreter, die darüber klagen, wie schwierig bei der Vielzahl der EU-Länder Einigungen auf politischer Ebene sind, sehen nunmehr ein Kriseninstrument vor, bei dem sich Hunderte Molkereien und Erzeugerorganisationen unterschiedlicher Nationen auf ein gemeinsames Vorgehen einigen sollten – ohne dass es dazu eine politische Vorgabe oder entsprechende Strukturen gibt. Man ignoriert die Wettbewerbssituation der Molkereien zueinander, die schon jetzt dazu führt, dass es keinerlei Bereitschaft gibt, in Richtung Krisenlösung abgestimmte Schritte zu gehen.
In der aktuellen Situation fehlt in erster Linie eine allgemeinverbindliche sofortige, zeitlich begrenzte Deckelung der EU-Milchanlieferung, um den Milchmarkt effektiv und schnell zu entlasten. Nur so kann verhindert werden, dass freiwillige Mengenrücknahmen einzelner Unternehmen durch die Mehrmengen anderer faktisch ausgehebelt werden.
Aber auch grundsätzlich gilt: In einem System, in dem die Molkereien sinkende Milchpreise beliebig an die Milchviehhalter durchreichen können, haben Molkereien in Milchmarktkrisen erst sehr spät Handlungsdruck. Bei den Milchviehhaltern sind dann, wenn die Molkereien beginnen über mögliche Maßnahmen nachzudenken, aber schon Milliardenverluste entstanden, die sie in ihrer Existenz massiv bedrohen.
„Das ist das Gegenteil eines frühzeitigen, präventiven Handelns, um riesige Wertschöpfungsverluste für die Milchviehhalter und den ländlichen Raum effektiv zu verhindern“, kritisiert BDM-Vorsitzender Romuald Schaber.
Im jetzt vorgelegten Modell will der EU-Kommissar selbst keine Verantwortung übernehmen, ermächtigt die Molkereien aber, die Freiheit der Milcherzeuger einseitig zu beschneiden, ohne dass dies in seiner Ausgestaltung staatlich kontrolliert würde. „Mit Verweis auf den vermeintlich freien Markt wehrt man sich einerseits gegen jedes staatliches Handeln und liefert gleichzeitig die Milchviehhalter, deren Marktstellung ohnehin schwach ist, an das Gutdünken der Milchverarbeiter aus? Das ist das Gegenteil eines freien Marktes für alle Marktteilnehmer“, erklärt Schaber weiter. „Unser Milchmarktkrisenmanagement-Konzept gewährt den Milchviehhaltern eine weitaus größere Freiheit. Jeder Milchviehhalter kann selbst entscheiden, wie er sich in der Krise verhält. Freiwilliges, marktwirtschaftlich richtiges Verhalten soll dabei belohnt werden und nur der, der trotz Krise seine Milchmenge ausweitet, soll einen Malus zahlen.“
Auch weiterhin wird Agrarpolitik vor allem im Interesse der Ernährungsindustrie gemacht, während die Interessen der Landwirte und des Ländlichen Raums viel zu stark in den Hintergrund treten. Man befördert so ein massives Ungleichgewicht und starke Konzentrationstendenzen in diesem Markt und handelt gegen die Interessen der Gesellschaft.