Koalitionsvertrag: Im Agrarteil sehr viel Luft nach oben

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. hält die agrarpolitischen Inhalte des neuen Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD in Summe für ernüchternd. Wie sich schon in den ersten Entwürfen abgezeichnet hat, ignoriert der Vertrag zentrale Reformvorschläge für die Milchviehhaltung und lässt die drängendsten Probleme der Branche unbeantwortet.

Foto: ZKL, Bund

Zukunftsfähige Landwirtschaft braucht mehr als Lippenbekenntnisse
„Es ist bezeichnend, dass die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) und ihre umfassenden Empfehlungen mit keinem Wort im Koalitionsvertrag erwähnt werden“, kritisiert der BDM-Vorsitzende Karsten Hansen. „Konstruktive Vorschläge für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, die Ergebnis langjähriger Arbeit sind, sind nur verklausuliert angerissen, aber nicht konkret benannt.“

Besonders enttäuschend: Während die Zukunftskommission Fischerei lobend erwähnt wird, findet die ZKL, die unter Beteiligung von Landwirtschafts- und Umweltverbänden, Wissenschaft und Wirtschaft konkrete Lösungsansätze für die Agrarbranche erarbeitet hat, keine Beachtung. „Das entwertet die mühevolle Arbeit, für alle Beteiligten tragbare Kompromisse zu finden, zur „Beschäftigungstherapie“ und „Stillhaltetaktik“. Es zeigt sich überdeutlich, dass für die Umsetzung notwendiger Reformen weder ein Erkenntnismangel besteht, noch die Einigkeit wichtiger gesellschaftlicher Akteure fehlt. Es fehlt schlicht der Handlungswille der Politik“, kritisiert Karsten Hansen.

Keine große Aussicht auf wirtschaftliche Perspektiven
Der Koalitionsvertrag bleibt konkrete Ansätze für die Erreichung angemessener Erzeugerpreise schuldig. „Die vage Formulierung zur Evaluierung der EU-Richtlinie über unfaire Handelspraktiken inklusive einer einzuführenden Ombudsperson ist völlig unzureichend“, bemängelt der BDM-Bundesvorsitzende. „Wir vermissen konkrete Maßnahmen, wie die ruinösen Preisstrukturen im Milchmarkt beendet werden sollen. Was nutzen uns theoretische Bekenntnisse zu fairen Wettbewerbsbedingungen ohne wirksame Mechanismen für deren Durchsetzung?“

Realitätsferne Terminologie statt konkreter Maßnahmen
Mit Verwunderung nimmt der BDM zur Kenntnis, dass im Koalitionsvertrag von „kleinbäuerlich strukturierten Betrieben“ die Rede ist. „Diese Wortwahl zeigt, wie weit die Koalitionsparteien von der Realität deutscher Milchviehbetriebe entfernt sind“, stellt Karsten Hansen fest. „Die Milchviehhalter, aber auch andere landwirtschaftliche Sektoren, stehen vor ähnlichen Problemen – egal wie sie strukturiert sind. Wir müssen eine vielfältig strukturierte Landwirtschaft erhalten, angepasst an die jeweiligen naturräumlichen Gegebenheiten. „Kleinbäuerlich“ und „industriell“ sind politische Kampfbegriffe, die kaum Aussagekraft besitzen und nur der Spaltung der Landwirtschaft dienen.“

Agrardiesel: Symbolpolitik statt struktureller Hilfen
Die angekündigte vollständige Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung ist für die meisten Milchviehhalter ein Tropfen auf den heißen Stein. „Während energieintensive Betriebe davon profitieren mögen, bringt diese Maßnahme für die durchschnittlichen Milchviehbetriebe kaum spürbare Entlastung“, erklärt Hansen. „Statt solcher Symbolpolitik brauchen wir strukturelle Maßnahmen, die an der Wurzel des Problems ansetzen: bei der Marktstellung der Landwirtschaft gegenüber der Verarbeitungs- und Ernährungsindustrie und funktionierenden Preisbildungsmechanismen.“

Keine klare Linie zur GAP-Reform
Auch zur kommenden GAP-Periode finden sich im Koalitionsvertrag nur vage Absichtserklärungen ohne konkrete Ausgestaltungsvorschläge. Zur notwendigen Weiterentwicklung der GMO findet sich gar nichts. „Die erste Säule soll ‚einkommenswirksam‘ sein – das ist ein leeres Versprechen ohne Konzept dahinter oder Erklärung, wo das Geld herkommen soll“, bemängelt BDM-Vorsitzender Hansen. „Wir hätten uns ein klares Bekenntnis zu einer grundlegenden Reform der GAP und der GMO gewünscht, die nicht nur Flächenbesitz honoriert, sondern nachhaltige Milchviehhaltung besser unterstützt.“

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