Ernennung Romuald Schabers zum Ehrenvorsitzenden (Berlin) Rund 600 Milchviehhalter und Gäste aus ganz Deutschland trafen sich auch in diesem Jahr zum traditionellen Symposium des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. am ersten Samstag der Grünen Woche in Berlin, das diesmal den Titel „Dairy together – global vernetzt für einen Milchmarkt mit Zukunft“ trug.
Die Welt zu Gast beim BDM-Symposium
„Parallel zum Global Forum for Food and Agriculture, das Bundesministerin Julia Klöckner im Vorfeld häufig als „Agrar-Davos“ bezeichnet hatte, hatten wir unser „Milcherzeuger-Davos“ – ein internationales Milchwirtschaftsforum – wenn man es überspitzt formulieren will. Austausch, Dialog und Vernetzung auf internationaler Ebene – dafür haben wir mit unserem Symposium und intensiven Gesprächen im Vorfeld den Grundstein gelegt“, zieht BDM-Vorsitzender Stefan Mann Bilanz. „Wichtig war uns zu erfahren, wie gut die Milchviehhalter in Amerika und Kanada mit ihren Milchmarktsystemen zurechtkommen und was ihre Kritikpunkte sind, um daraus auch für notwendige Veränderungen unseres eigenen Systems im Zuge der Sektorstrategie 2030 die richtigen Schlüsse zu ziehen. Mit den Themenkomplexen des Vergleichs internationaler Milchmarktsysteme, notwendiger Veränderungen im Zuge der GAP-Reform und unserer Sektorstrategie 2030 haben wir wichtige Zukunftsfragen erörtert, die für die Milchviehhalter hohe Bedeutung haben.“
Die Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, Dr. Beate Jessel, die als Leiterin der wissenschaftlichen Fachbehörde des Bundes für nationalen und internationalen Naturschutz den terminlich verhinderten Staatssekretär im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) Jochen Flasbarth vertrat, forderte in ihrem Grußwort und ihrer Key Note von den anwesenden Milchviehhaltern Offenheit und Mitarbeit für notwendige strukturelle und inhaltliche Veränderungen, die im Zuge der GAP-Reform für die Erreichung von Umwelt- und Klimazielen zwingend nötig seien, und zeigte gleichzeitig aber auch das Bewusstsein dafür, dass diese Veränderungen für die Landwirte leistbar sein müssen. „Wir brauchen eine starke Kooperation zwischen Natur- und Umweltschutz, einer in die Zukunft gewandten Landwirtschaft und Verbraucherschutz, um den Spagat zwischen Klima-, Umwelt-, Natur- und Tierschutz zu schaffen“, so Dr. Jessel.
Die Podiumsrunde erörterte zunächst Fragestellungen zu den Bewegungen und Strategien für gewinnbringende Milchpreis und eine bessere Marktstellung der Milchviehhalter.
Darin von Ruden, US-Milchfarmer in der dritten Generation und Präsident der Wisconsin Farmers Union und Winsconsin Farmers Union Foundation sowie Vorstandsmitglied der National Farmers Union NFU und Vorsitzender des NFU Membership Committee, stellte die Bewegung „Dairy together“ vor, mit der US-Milchfarmer auf politscher und medialer Ebene auf dringend notwendige Veränderungen aufmerksam machen. Im ländlichen Raum finde ein massiver Strukturwandel statt, da die amerikanischen Milchbauern trotz aller politischen Maßnahmen seit längerer Zeit mit jedem Liter Milch Verluste machten, so Darin von Ruden. Ausgegangen sei die Initiative „Dairy together“ von einem Treffen mit Repräsentanten der kanadischen Milchbauern, bei dem man sich über deren Marktstellung und die Einkommenssituation im kanadischen Milchmarktsystem austauschte. Auch wenn deutlich wurde, dass das eine System nicht identisch auf das andere übertragbar ist, war dieser Gedankenaustausch doch Anstoß eigener Überlegungen der amerikanischen Milchviehhalter, dass es einen Systemwechsel brauche.
Murray Sherk, neuer Vorsitzender der Dairy Farmers of Ontario in Kanada und ebenfalls Milchviehhalter, war einer der kanadischen Gäste des damaligen Treffens, zu dem Darin von Ruden eingeladen hatte. In Berlin gab Sherk einen Überblick über die Funktionsweise des kanadischen Milchmarktmodells und seine Vorteile für die Milchviehhalter und den ländlichen Raum. Die Marktöffnung im Zuge verschiedener Handelsabkommen bringe Druck auf den kanadischen Milchmarkt mit sich, den man versuche politisch ein wenig abzufedern. Prinzipiell aber sei es in Kanada möglich, ein auskömmliches Einkommen ausschließlich über die Vermarktung der Milch zu erzielen – ohne Subventionierung durch den Staat. „Die Politik kann uns eigentlich gut leiden, weil wir nicht um Geld betteln müssen“, berichtete Sherk.
Herbert Dorfmann, Mitglied des Europäischen Parlaments und Berichterstatter des EP zur GAP 2020 („Dorfmann-Bericht“), spannte den Bogen zur EU-Agrarpolitik und mögliche Änderungen, die die GAP-Reform für die Landwirte bringen könnte. Unter dem Aspekt lebendiger ländlicher Räume befürwortete er eine Kappung der Agrargelder. Es mache einfach einen Unterschied, ob es 25 Betriebe in einer Region gebe oder nur einen großen. Bei einer Kappung seien aber regionale, historisch gewachsene und soziale Strukturen und Unterschiede zu berücksichtigen. In erster Linie müsse es darum gehen, Landwirtschaft und nicht Investmentfonds staatlich zu fördern.
Sieta van Keimpema, Vizepräsidentin des European Milk Board EMB, erläuterte in ihrem Vortrag die Schieflage, in der sich die europäischen Milchviehhalter befinden, wenn man ganz nüchtern deren Betriebsdaten auswertet. Stelle man Erzeugungskosten und Milchpreise gegenüber, sei klar, warum viele Betriebe keine Nachfolger mehr fänden. Gleichzeitig hätte die Molkereiwirtschaft sogar während der mehrfachen Milchkrisen ihre Gewinne steigern können. In einem leidenschaftlichen Plädoyer rief sie dazu auf, die Milchviehhaltung für die Jugend wieder wirtschaftlich interessant zu machen.
BDM-Sprecher Hans Foldenauer stellte schließlich die Grundzüge der BDM-Sektorstrategie 2030 vor und betonte in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich, dass sich die Diskussionen nicht nur auf das Geldverteilen beschränken dürften, sondern dass echte Veränderungen nötig seien. Diese seien im Strategiepapier des BDM sicher ambitioniert formuliert, aber notwendig, um wirklich etwas zum Besseren zu bewegen.
Auch BDM-Vorsitzender Stefan Mann wies in seinem Fazit darauf hin, dass einmal mehr deutlich geworden sei, dass sich die Probleme der Milchviehhalter fast überall ähnelten und dass jede Bewegung Vordenker brauche, Vordenker, die in der Lage seien, ihre Positionen auch gegen Widerstände zu verteidigen. In den Reihen der Milch verarbeitenden Industrie würden die Vorschläge des BDM zur Sektorstrategie 2030 vermutlich auf wenig Gegenliebe stoßen. Nichtsdestotrotz sei es wichtig, seine Positionen nicht schon vor einer gemeinsamen Diskussion abzuschwächen, zeigte sich Mann überzeugt.
Ein mittlerweile schon etablierter Programmpunkt war auch in diesem Jahr die Verleihung des Journalistenpreises „Faire Milch“ im Rahmen des Symposiums des BDM. Michael Braun, Marketingleiter der Fairen Milch, und BDM-Vorstand Stefan Mann ehrten die Preisträger für ihre Beiträge, die sich in besonders gelungener Weise mit dem Milchmarkt und den Milchviehhaltern beschäftigt hatten.
Dazu mehr unter Große Bühne für Journalisten
Für ihre langjährigen Verdienste um den BDM wurden schließlich auch die im Laufe des vergangenen Jahres ausgeschiedenen ehemaligen Vorstände Siek Postma und Romuald Schaber geehrt. Fahnenschwingende Milchviehhalter/innen aus den verschiedenen Bundesländern begleiteten zusammen mit dem Präsidenten des European Milk Board EMB, Erwin Schöpges, die feierliche Ernennung Romuald Schabers zum Ehrenvorsitzenden und dankten ihm damit für sein außergewöhnliches und unermüdliches Engagement für die Milchviehhalter. Er habe den Verband wie kein Zweiter geprägt, erklärte Stefan Mann in seiner Würdigung der Verdienste Schabers – und: „Die Fußstapfen, in die wir als Nachfolger auf deutscher und europäischer Ebene treten, sind sehr, sehr groß. Um sie zu füllen, braucht es mehr als eine Person.“
Beim anschließenden gemeinsamen Ausklang des Tages mit Musik, Tanz und einem regen Austausch der Milchbäuerinnen und Milchbauern untereinander freute sich BDM-Vorstand Stefan Mann, auch Agrarminister Jan-Philipp Albrecht aus Schleswig-Holstein begrüßen zu dürfen, der es sich nicht nehmen ließ, noch ein kurzes Grußwort an die zahlreichen Milchbäuerinnen und Milchbauern zu richten.