Das Bundesministerium verfolgt mit Nachdruck die Gründung einer national organisierten Branchenorganisation Milch, die unter anderem auch allgemeinverbindliche Regelungen treffen dürfen soll. Über Ziele und Ausgestaltung besteht aber ganz offenbar bei den Marktbeteiligten noch erheblicher Diskussionsbedarf. Während dem Raiffeisenvorsitzenden Manfred Nüssel nach eigenem Bekunden eine Art Nachfolgeorganisation zur CMA vorschwebt, die sich rein auf Vermarktung und Exportförderung beschränkt, pochen Molkereivertreter insbesondere auf Autonomie bei der Gestaltung der Lieferbeziehungen mit den Milchviehhaltern.
Branchenorganisation Milch muss mehr als reine Diskussionsplattform sein
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter bezweifelt angesichts eines längst globalen Milchmarkts stark, dass eine Branchenorganisation, die nur national organisiert ist, mehr als eine reine Diskussionsplattform sein könnte. Diskussionsplattformen aber gebe es bereits genügend. „Mit den Landesvereinigungen der Milchwirtschaft, in denen sich bereits alle Marktbeteiligten treffen, hat man eigentlich schon ein Netzwerk, das diese Funktion erfüllt“, erklärt BDM-Vorsitzender Romuald Schaber. Wichtig sei, dass eine Branchenorganisation Milch im Falle einer Milchmarktkrise auch in die Milchlieferverpflichtungen zeitlich befristet mengenwirksam eingreifen könne, unabhängig davon, ob diese genossenschaftlich oder privatrechtlich ausgestaltet sind.
Ziel einer Branchenorganisation Milch muss die Stärkung der Marktposition der Milchviehhalter sein, damit die Preisrisiken innerhalb der Wertschöpfungskette nicht wie bisher komplett auf die Milchviehhalter abgewälzt werden können. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen zwei Herausforderungen angegangen werden: Es gilt, Marktungleichgewichte, die durch einen Angebotsüberhang entstehen, aktiv anzugehen und daneben auch die Position der Milchviehhalter innerhalb der Wertschöpfungskette zu verbessern.
Von der Ausgestaltung der Branchenorganisation wird es ganz maßgeblich abhängen, ob diese Ziele erreicht werden können. Dabei gilt es auch die Erfahrungen, die man in der Schweiz bereits gemacht hat, zu berücksichtigen. Bei der Besetzung der Branchenorganisation hat sich in der Schweiz bereits gezeigt, dass in wichtigen Fragen trotz einer vermeintlich gleichberechtigten Besetzung der Branchenorganisation mit Vertretern der Molkereiwirtschaft, des Handels und der Milchviehhalter immer vor allem die Interessen der marktstärkeren Akteure (Molkereien und Handel) Berücksichtigung finden – dies gilt insbesondere dann, wenn für die Milchviehhalter Vertreter am Tisch sitzen, die in Personalunion Milchviehhalter und Gremiumsmitglied in einem Molkereiunternehmen sind.
Einer rein national organisierten BO Milch, wie sie unter anderem von Staatssekretär Peter Bleser favorisiert wird, ist eine Absage zu erteilen. „Nationale Alleingänge sind in einem globalen und europäischen Markt nicht mehr zielführend. Marktwirkung kann damit auf keinen Fall erreicht werden“, erläutert Romuald Schaber. „Effizienz und Handlungsfähigkeit müssen bei einer BO Milch gewährleistet sein, keinesfalls darf nur eine nationale Plattform für Alibi-Diskussionen geschaffen werden.“
Der BDM appelliert daher an Bundesminister Christian Schmidt, sich zusammen mit seinen Staatssekretären in Brüssel für die Installation einer europäischen BO Milch zu engagieren.
Aus Sicht des BDM sollte die europäische Milchmarkt-Beobachtungsstelle Milk Market Observatory MMO zu einer europäisch agierenden Branchenorganisation Milchviehhaltung (BO Milch) ausgebaut werden. Nationale Gesichtspunkte können durch eine entsprechende Besetzung der MMO Berücksichtigung finden. Geleitet werden sollte diese ausschließlich von aktiven Milchviehhaltern, die nicht in Doppelfunktion die Position der Molkereiwirtschaft mitvertreten. Schon die Milchviehhaltung alleine muss aus Sicht des BDM als Branche gelten, schließlich gilt es insbesondere ihre Position als Gegengewicht zur ohnehin schon stark konzentrierten Abnehmer- und Nachfrageseite zu stärken. Möglich wäre es aber, die BO Milch um Berater aus den Bereichen Handel, Verbraucher und Politik zu erweitern.
Auf keinen Fall dürfen die Verbände der Molkereiindustrie mit in die BO Milch integriert werden, da ihr Interesse völlig konträr zu dem der Milchviehhalter ist. Das Verhalten der Verbände der Molkereiindustrie hat das gerade in der aktuellen Milchkrise sehr deutlich gezeigt. Rund 60 % der Gesamtkosten eines Molkereiunternehmens entstehen für den Einkauf des Rohstoffes Milch. Genau hier liegt also das größte Einsparpotenzial für die Molkereiunternehmen. Es ist offenkundig, dass diese aus betriebswirtschaftlichen Gründen kein gesteigertes Interesse an einer Erhöhung der Wertschöpfung für die Milcherzeuger haben. Dies gilt gleichermaßen für genossenschaftliche wie privat organisierte Molkereiunternehmen, die sich im Wettbewerb behaupten müssen.