(Berlin) Bereits zum 10. Mal hatte der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter BDM e.V. am Samstag zu seinem Symposium eingeladen, das jedes Jahr im Rahmen der Grünen Woche in Berlin stattfindet. Dass trotz Milchkrise auch in diesem Jahr mehrere Hundert Milchviehhalterinnen und Milchviehhalter der Einladung des BDM gefolgt waren, zeigt den hohen Stellenwert, den diese Veranstaltung, mit der Möglichkeit Kollegen aus ganz Deutschland zu treffen, bei den Milchbäuerinnen und –bauern einnimmt. „Der freie Markt im Spannungsfeld zwischen Profit, Effizienz und Nachhaltigkeit“ lautete die Überschrift des Symposiums, das sich neben Themen wie der Risikoabsicherung im freien Markt, der Stellung der Marktteilnehmer und damit auch der Risikoverteilung sowie den Konsequenzen befasste, die dies für die Milchviehhalter hat.
BDM-Symposium: Risikomanagement im freien Markt aus unterschiedlicher Perspektive
Als Schirmherr eröffnete Landwirtschaftsminister Christian Meyer aus Niedersachsen das Symposium und zeichnete in seiner Rede ein realistisches Bild der aktuellen Marktsituation. Gleichzeitig ermutigte er die Milchviehhalter aber auch, weiter vehement für ihre Interessen einzutreten. Dies sei für ihre Zukunft elementar wichtig – auch wenn die Bretter, die es zu bohren gälte, sehr dick seien, so der Minister.
Tobias Andres, Leiter des Büros der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V. in Brüssel, schilderte in seinem Referat die Sichtweise der Unternehmen seines Verbandes. Diskussionen zu Grundsatzfragen und Trends wie beispielsweise Nachhaltigkeit beschränkten sich auf Verbände, NGOs und die Politik. Die Unternehmen der Ernährungsindustrie dächten gänzlich anders. Die Frage „Gibt es Käufer, die dafür zahlen?“ sei Richtschnur ihres Handelns. Und weiter: „Unternehmen warten nicht auf die Politik.“
Johann Kalverkamp, Vorstand der VR Agrarberatung AG Lingen, empfahl den Milchviehhaltern künftig stärker über die Absicherung ihrer Preise an Warenterminbörsen nachzudenken. Insbesondere die genossenschaftlich organisierten Molkereien hätten es bisher fahrlässig versäumt, hier stärker für ihre Milchviehhalter aktiv zu werden, so Kalverkamp.
Auch Prof. Dr. Holger D. Thiele, Professor für Agrarökonomie an der Fachhochschule Kiel und Direktor des Instituts für Ernährungswirtschaft Kiel e.V. (ife), sah bei der Frage nach der Krisen-Absicherung der Milchviehhalter die Molkereien „deutlich mit im Boot“. Wie auch schon in seinem kürzlich erstellten Gutachten gab er einen Überblick über mögliche Kriseninstrumente für den Milchmarkt und ihre Effekte und Grenzen. Ein Thema, das auch ein zentraler Punkt der späteren Diskussion war.
Die Wertschöpfungsverluste der Milchviehhalter seien letztlich ein Kollateralschaden des Preiskriegs zwischen den Discountern, erklärte Prof. Dr. Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre und Marketing an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Er forderte die Landwirte auf, noch stärker zu erklären, warum ihnen eine besondere Rolle zukäme, die auch eine andere politische Behandlung rechtfertige – anders als bei anderen Branchen, die bereits am Boden lägen. Selbst das Argument des Höfesterbens müsse aus politischer Sicht nicht unbedingt ein Problem sein, stellte Roeb provokant in den Raum. Die Milchviehhalter müssten sich strategisch gut aufstellen, um mit ihrem Problem angesichts der Konkurrenz zu vielen anderen weltpolitischen Problemen überhaupt durchzudringend, so Roeb außerdem.
Dr. Stefan Schmitz, Beauftragter für die Sonderinitiative „Eine Welt ohne Hunger“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung berichtete schließlich, wie wichtig für die Entwicklungsländer der Aufbau einer eigenständigen Ernährungsversorgung und Landwirtschaft sei. Die Gefahr der Verdrängung durch EU-Exporte bestehe, es bedürfe daher eines freien und fairen Handels.
Auch die den Vorträgen folgende Diskussion mit den Referenten zeigte die unterschiedlichen Perspektiven und Betroffenheit der Teilnehmer dieser Veranstaltung deutlich. Dass die Milchviehhalter als von der Krise unmittelbar Betroffene emotionaler reagierten, war kaum erstaunlich. „Jetzt reicht´s!“ lautete daher auch ihre Botschaft an alle für den Milchmarkt Verantwortlichen, die die Milchviehhalter bisher buchstäblich im Regen stehen lassen.
Mit der Verleihung des Journalistenpreises „Faire Milch“ fand das Symposium des BDM schließlich einen gelungenen Abschluss. BDM-Vorstandsvorsitzender Romuald Schaber und Bundesbeirat Michael Braun ehrten die Preisträger für ihre Beiträge, die sich in besonders gelungener Weise mit dem Milchmarkt und den Milchviehhaltern beschäftigt hatten. Dazu mehr unter www.diefairemilch.de.