„Nach vielen Worten, die beim Agrargipfel im Bundeskanzleramt ausgetauscht wurden, sind nun Taten gefordert. Die unterschiedlichen Positionen der verschiedenen Vertreter von Initiativen und Verbänden aus dem Agrarbereich und seinem Umfeld wurden im Rahmen des Agrargipfels bei Bundeskanzlerin Merkel vorgetragen. Nun gilt es für die Bundesregierung, daraus Strategien und ein Handeln abzuleiten, das die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für eine sowohl wirtschaftlich nachhaltige, als auch gesellschaftlich akzeptierte und sozialverträgliche Landwirtschaft schafft, die in der Lage ist, mehr Leistungen für Klima-, Arten- und Umweltschutz sowie Tierwohl zu erbringen“, lautet das Resümee von BDM-Vorsitzenden Stefan Mann nach dem über dreistündigen Treffen im Bundeskanzleramt.
Agrargipfel im Kanzleramt: Worten müssen Taten folgen
Konkret schlägt der BDM der Bundesregierung vier wesentliche Aufgaben vor, die in Angriff genommen werden müssen:
- Die Weiterentwicklung und Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik GAP 2020 in Verbindung mit der Gemeinsamen Marktordnung GMO: Um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern, müssen die Zielvorgaben für die Landwirtschaft mindestens auf europäischer Ebene einheitlich definiert sein. Die Ausrichtung der europäischen Agrarpolitik auf weltweite Wettbewerbsfähigkeit über Billigpreise muss überdacht werden. Über die GAP muss dafür Sorge getragen werden, dass zukünftig mit den bereitstehenden Agrargeldern die Leistungen der Landwirte für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz entsprechend ihrer hohen Wertigkeit entlohnt werden können.
- Nicht nur für den Milchmarkt, auch für andere Sektoren: Ein effizientes Krisenmanagement, mit dem Marktkrisen mit immensen Wertschöpfungs- und Substanzverlusten für die landwirtschaftlichen Betriebe effizient begegnet werden kann: Nur Agrarmärkte, die einigermaßen ausgeglichen sind, lassen mindestens kostendeckende Preise zu – eine absolute Grundvoraussetzung für eine tiergerechte, umwelt- und klimafreundliche Landwirtschaft. Wenn Kosten über den Markt nicht gedeckt werden können, wird die Landwirtschaft an ihre Leistungsgrenzen getrieben mit negativen Folgen für Mensch, Tier und Umwelt. Dabei braucht es mehr als Versicherungslösungen!
- Eine deutliche Verbesserung der Marktstellung der Landwirte über die GMO: Es gilt auf EU-Ebene eine Branchenorganisation für jeden landwirtschaftlichen Sektor als eigenständige Branche anzuerkennen, also z.B. eine Branchenorganisation Milchviehhaltung. Bisher ist das nicht möglich, da immer mindestens zwei Akteure der Wertschöpfungskette Teilnehmer einer nach EU-Recht zulässigen Branchenorganisation sein müssen. Angesichts der Übermacht von wenigen Oligopolen auf Handels- und Industrieseite und einer immer stärker konzentrierten verarbeitenden Industrie müssen die Landwirte für jeden Sektor eine eigene zentrale Plattform haben, die ihre Marktposition stärkt, Vermarktungsregeln organisiert, Standards verhandelt, digitale Datensouveränität und Datenschutz gewährleistet und die Branchenkommunikation fördert.
- Mercosur-/Handelsabkommen stoppen: Die Marktöffnung für landwirtschaftliche Produkte darf nicht zum Faustpfand für die Exportinteressen anderer Industriezweige werden. Verschärfte, klimasensible Standards, die auf Ebene der EU, der EU-Länder und auf regionaler Ebene gelten, dürfen nicht durch Billig-Importe unterlaufen werden, die zu völlig anderen Bedingungen produziert werden. Die Verpflichtung auf die Einhaltung europäischer Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsstandards kann realistisch kaum geprüft werden.
Dass diese Forderungen bei weitem nicht bei allen Verbänden der Landwirtschaft auf Zustimmung stoßen, ist in deren Struktur begründet. Die Verbände, die eng mit Vertretern der Verarbeitungsbranche verbunden sind, tendieren eher dazu am Status Quo festzuhalten statt über ein Umsteuern in der Agrarmarktpolitik weg von ihrem bisherigen Ziel, die Ernährungsindustrie mit günstigen Rohstoffen zu versorgen, nachzudenken. Gleiches gilt für Verbände und Initiativen, die nicht unwesentlich von der der Landwirtschaft vor- und nachgelagerten Stufe unterstützt und mitgetragen werden, also wirtschaftlich davon profitieren, wenn möglichst viel Betriebsmittel zugekauft und daraus produzierte Agrarprodukte wieder abgeliefert werden.
„An der Landwirtschaft wird verdient, aber nicht in der Landwirtschaft. Daher gehen die Bäuerinnen und Bauern wegen weiterer Auflagen auf die Straße. Es ist deren Protest, der von der Überforderung durch widersprüchliche Anforderungen zeugt. Mehrleistungen bei gleichzeitigen Niedrigpreisen, die häufig nicht einmal die Kosten decken, sind für die landwirtschaftlichen Betriebe unlösbare Aufgaben. Nicht der vor- und nachgelagerte Bereich braucht Lösungen, sondern die Bäuerinnen und Bauern. Wir erwarten daher von der deutschen Bundesregierung mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze und Agrarministerin Julia Klöckner ein Handeln im Sinne einer bäuerlichen Landwirtschaft mit ihren vielfältigen Strukturen in Deutschland und Europa“, erklärt BDM-Vorsitzender Stefan Mann.