Die erneut anstehende Novellierung der Düngeverordnung hat weitreichende zusätzliche ökonomische Auswirkungen auf unseren landwirtschaftlichen Betrieben und führt bei gleichzeitiger Fortführung der Ausrichtung der EU-Agrarpolitik auf die Versorgung der Ernährungsindustrie mit günstigen Rohstoffen deutlich verstärkt zur Schließung von Höfen aller Sektoren der landwirtschaftlichen Produktion. Der BDM e. V. hat schon in seiner Stellungnahme zur Novellierung der DVO 2017, die aus August 2014 stammt, darauf hingewiesen, dass es in Regionen mit einer Kreislaufwirtschaft, die an die Bodenarten angepasst ist, in der Regel keine Probleme mit der Qualität des Grundwassers gibt. Im Umkehrschluss wurde gefordert – und diese Forderung gilt auch heute noch – sich bei den notwendigen Veränderungen der Düngevorgaben auf die so genannten Hotspots zu konzentrieren, in denen das Grundwasser nachweislich durch landwirtschaftliche Tätigkeiten hohe Nitratgehalte aufweist.
Messstellennetz modifizieren – Transparenz herstellen
Mit der Umstellung vom so genannten Belastungsmessnetz auf das EU-Nitratmessnetz in 2012 wurde die Messstellenzahl erheblich ausgeweitet. Mit den jetzt rund 700 Messstellen, und damit deutlich mehr als die ursprünglich noch 162 verbliebenen Messstellen des Belastungsmessnetzes, geht man davon aus, dass ein flächenrepräsentatives Teilmessnetz für die landwirtschaftlichen Einflüsse auf das Grundwasser vorhanden sei. Im letzten Nitratbericht 2016 wurde festgestellt, dass sich der Anteil von 28 % der Messstellen, die Werte über 50 mg/l Nitrat aufweisen, gegenüber dem vorherigen Berichtszeitraum (2008 – 2011) nicht verändert hat.
In der aktuellen Diskussion, inwieweit die Messstellen die landwirtschaftlichen Einflüsse repräsentativ darstellen, zeigt sich eine große Unsicherheit darüber, ob nicht doch auch außerlandwirtschaftliche Einflüsse die Werte zum Nachteil der Landwirtschaft verändern. Gleichzeitig herrscht Unverständnis über die darauf beruhende großflächige Ausweisung von Roten Gebieten.
Der BDM regt an:
- In Kenntnis dessen, dass die Bundesländer ermächtigt sind, eine sog.
Binnendifferenzierung in den Roten Gebieten vorzunehmen, plädieren wir für ein Vorgehen bei der möglichen Binnendifferenzierung, das nach bundesweit einheitlichen Kriterien/Maßgaben erfolgt, um Wettbewerbsverzerrungen möglichst
zu vermeiden. - Auch wenn das Messstellennetz mit der Umstellung auf das EU-Nitratmessnetz mit
seinen 697 Messstellen (ca. 2 Messstellen je 1.000 km2) schon deutlich erweitert wurde, sehen wir die Notwendigkeit, über eine weitere Erhöhung der Anzahl und Ausdifferenzierung der Messstellen den wirklichen Einfluss der landwirtschaftlichen Tätigkeit plausibel darstellen zu können. Dabei ist das Augenmerk vor allem auch auf den möglichen Einfluss nichtlandwirtschaftlicher Einflüsse zu richten. - Nicht nur die Messstellen-Ergebnisse, auch die Messmethodik, -genauigkeit und fachliche Eignung sind den Bäuerinnen plausibel und nachvollziehbar darzustellen und zu erläutern. Nur mit Transparenz und Mut wird es gelingen, wieder Vertrauen und damit auch Akzeptanz für mögliche notwendige zusätzliche Bewirtschaftungsauflagen zu erreichen.
Sperrzeitregelung für Dauergrünland
Für die meisten Milchviehbetriebe ist das Dauergrünland eine wesentliche Grundlage für die Deckung des Grundfutterbedarfes, aber auch Ackergräser, Kleegrasmischungen etc. spielen eine wichtige Rolle bei der Grundfuttergewinnung. Die im Raum stehende Sperrzeit bezüglich der Ausbringung von Dünger mit einem wesentlichen Gehalt an Nährstoffen vom 1. November bis zum 31. Januar eines jeden Vegetationsjahres geht an den Erkenntnissen langjähriger Gülle- und Grünlandversuche des Versuchsgutes Spitalhof Kempten vorbei, dessen fachliche Expertise in landwirtschaftlichen Kreisen einen hervorragenden Ruf genießt. Daran ändert auch die Möglichkeit, die Sperrzeiten um 4 Wochen zu verschieben, nichts Entscheidendes. Nachfolgender Auszug aus den Versuchsergebnissen des Spitalhofes sollte zum Überdenken der bisherigen Sperrzeitregelung für Dauergrünland führen:
Kommentar
„In dem Versuch konnte nachgewiesen werden, dass Güllegaben im Herbst bis in den Frühwinter ähnlich ertragswirksam sind wie Düngergaben im Frühjahr. Zudem konnte der Nachweis erbracht werden, dass Güllegaben außerhalb der Vegetationszeit keine Erhöhung der Nitratwerte im Bodenwasser zur Folge haben. Diese Erkenntnisse stimmen mit den Naturgesetzen überein. Nitrat ist nur in geringen Mengen in der Gülle vorhanden, es wird aus organischem und Ammonium-Stickstoff unter dem Einfluß von Bakterien im Boden gebildet. Für diesen Prozeß sind Feuchtigkeit und Wärme erforderlich. Bei Güllegaben im Spätherbst sind die Bedingungen für eine Nitrifizierung nicht gegeben, so dass die in der Gülle enthaltenen Stickstoff-Formen an den Ton-Humus-Komplex im Boden gespeichert werden und nicht der Auswaschung unterliegen.
Die Gefahr einer Nitratanreicherung des Bodenwassers besteht am ehesten bei Güllegaben im Frühherbst, wenn bei warmen Bodentemperaturen eine Nitrifizierung erfolgt; die Pflanzen jedoch ihren Stickstoff-Entzug deutlich verringern.
Die Entwicklung der Nmin-Werte zeigt, dass sie unter Grünlandnutzung als Bewertungsmaßstab für eine „gute fachlicher Praxis“ kaum in Betracht zu ziehen sind. In unserem Versuchsvorhaben war der Einfluß eines Einzeljahres bzw. der Jahreszeiten bei weitem größer als der der unterschiedlichen Düngungszeitpunkte.“
(Quelle: https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/lvfz/spitalhof/dateien/spitalhofheft_2000.pdf – S. 26)
Wir sehen die Notwendigkeit, die fachlich anerkannten Versuchsergebnisse und Expertise der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Tierhaltung und Grünlandwirtschaft Spitalhof Kempten in die zukünftige Sperrzeitenregelung für Dauergrünland einfließen zu lassen und fordern eine Überarbeitung der entsprechenden Regelung. Die bereits jetzt gültige und mit der neuen Novellierung bestätigte Sperrzeitregelung führt eher zu einer stärkeren Nitrifizierung und damit verbunden zu einem Anstieg des Nitratgehaltes im Grundwasser.
Grundsätzliche Begrenzung der Ausbringmenge auf 170 kg/ha N aus organischen Düngemitteln
Mit dieser pauschalen Regelung wird vor allem der in Nährstoffkreisläufen erfolgenden Grünlandbewirtschaftung nicht entsprochen. In Regionen mit entsprechenden Niederschlägen sind sehr häufig 5-schnittige Dauergrünlandstandorte anzutreffen, die einen rechnerischen Jahresbedarf von 310 kg/N pro Hektar aufweisen. Mit der pauschalen Begrenzung auf 170 kg/N pro ha entsteht die Notwendigkeit des verstärkten Zukaufs von N- haltigen Mineraldüngern auf der einen Seite und einer Abgabe von organischen Düngemitteln auf der anderen Seite.
Bei der Festlegung von Obergrenzen hinsichtlich der Ausbringung von N-haltigen organischen Düngern sind jedoch vielmehr die jeweilig spezifischen klimatischen und geologischen Begebenheiten zu berücksichtigen. Für manche Region kann die 170 kg- Regelung schon zu hoch sein, für andere hingegen jedoch die Notwendigkeit bedeuten, Mineraldünger einzusetzen, die mit hohem Energieaufwand hergestellt werden und deren Transport zusätzlich Umweltbelastungen bedeuten.
Aufbringungsverbot von Gülle zur Förderung der Strohrotte
Der Eintritt der Sperrzeit für Gülledüngung nach Aberntung der Hauptfrucht führt zu einer deutlichen Verschlechterung der Strohrotte und damit einer Verschlechterung des möglichen Humusaufbaus durch das mit der Ernte auf den Äckern belassene Stroh. Wir schlagen vor, für die Strohrotte einen begrenzten Einsatz von Güllegaben zuzulassen.
20-Prozent-Regelung Rote Gebiete
Wir verweisen an dieser Stelle noch mal auf die Notwendigkeit, das bestehende Messstellennetz zu modifizieren und die mögliche Anwendung der Binnendifferenzierung bundesweit einheitlich zu regeln. Die 20 Prozent Unterbedarfs-Regelung darf nur wirksam werden für die Teile der Roten Gebiete, in denen die landwirtschaftlichen Einflüsse auf die hohen Nitratwerte eindeutig belegt sind. Die für die Dauergrünlandnutzung vorgesehenen möglichen Ausnahmen von der Vorgabe, den Düngebedarf auf 80 Prozent des errechneten Bedarfes zu begrenzen, sind zu begrüßen. Mit der hierfür erteilten Länderermächtigung könnten jedoch sehr unterschiedliche Regelungen entstehen, deshalb sollte auch hier ein bundeseinheitliches Vorgehen vorgesehen werden.
Ausbringtechnik organische Dünger
Die durch die NEC-Richtlinie veranlasste Vorgabe, Gülle ab den bekannten Zeiträumen grundsätzlich nur noch mit streifenförmiger Technik ausbringen zu dürfen, ist insbesondere auf Dauergrünland mit seiner Futternutzung mehr als fragwürdig. Wir halten es für notwendig, sich noch weit mehr mit anderen Möglichkeiten zur Reduzierung der Ausgasungen wissenschaftlich auseinanderzusetzen und diese unvoreingenommen zu untersuchen. Den Landwirtinnen und Landwirten muss es ermöglicht werden, mit wirksamen und belegbaren ammoniak- und nitratreduzierenden Einzelmaßnahmen, die zu einer mindestens vergleichbaren Senkung der Emissionen führen wie die der bodennahen Ausbringtechnik, auch weiterhin großtropfige Ausbringtechniken (wie z.B. Möscha-Verteiler, Schwanenhalstechnik) einsetzen zu können. Eine Konzentration der Forschung, die bei der Suche nach praxistauglichen Lösungen vor allem auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Stoffen (z.B. Schwefelsäure) setzt, ist abzulehnen.
Nicht Inhalt des Verordnungsentwurfes, aber ebenfalls wichtig:
Die pauschale Regelung, die im Rahmen der Greening-Regelung mit Zwischenfrüchten bestellten Ackerflächen erst ab dem 15. Januar des Folgejahres ackern zu dürfen, führt aufgrund der in Deutschland sehr unterschiedlichen geologischen und klimatischen Bedingungen ebenfalls zu großen Schwierigkeiten bezüglich einer nachhaltigen Bewirtschaftung.
Grundsätzliches
Es muss gewährleistet sein, dass bei Verbesserungen der Nitratwerte im Grundwasser unter die bestehenden Grenzwerte eine sofortige Lockerung der Unterbedarf-Düngung erfolgt. Entsprechendes gilt auch für eine mögliche Verbesserung der Nitratwerte in Teilgebieten eines Roten Gebietes.
Die Nichteinhaltung einzelner mit Inkrafttreten der Novellierung der Düngeverordnung in
Kraft tretenden Vorschriften sind solange nicht als Ordnungswidrigkeit bzw. als Verstoß zu ahnden, bis alle in dieser Stellungnahme benannten notwendigen Nachbesserungen umgesetzt wurden.
Bei der erneut notwendigen Novellierung der Düngeverordnung ist trotz des bestehenden Handlungsbedarfs ein wesentliches Augenmerk auf die Praxistauglichkeit aller vorgesehenen Regelungen zu richten. Dem Nährstoffbedarf der Pflanzen wie auch Bodenorganismen muss Rechnung getragen werden. Die umfangreichen Dokumentationspflichten führen gerade bei kleineren und mittleren Betriebsstrukturen zu einem unverhältnismäßigen Anstieg der Arbeitsbelastung. Um diesen zusätzlichen Aufwand finanziell überhaupt noch bewältigen zu können, muss ein Umsteuern in der AgrarMarktpolitk umgehend eingeleitet werden. Die bisherige Ausrichtung auf die Interessen der Ernährungsindustrie, sich durch die Absenkung der Agrarpreise mit günstigen Rohstoffen versorgen zu können, muss ersetzt werden durch eine AgrarMarktpolitik, in deren Fokus vor allem die Interessen der Bäuerinnen und Bauern, der Gesellschaft und des Klima-, Natur- und Umweltschutz steht. Agrarpolitik ist mehr als Geldverteilen, braucht viel mehr als immer neue und schärfere Verordnungen. Die Ursachen für die vielfach vorhandenen Umwelt-, Natur- und Klimaschutzprobleme liegen vor allem in der mit der Agrarpolitik im Zusammenhang stehenden überproportionalen Zunahme des Wettbewerbs- und Intensivierungsdrucks auf die Landwirtschaft. Auch die vielfachen Einflüsse auf unsere Lebensgrundlagen, die nichtlandwirtschaftlicher Natur sind, müssen umgehend mit gleicher Intensität wie die der landwirtschaftlichen Einflüsse in ein Gesamtlösungspaket einbezogen werden.