Das von der Deutschen Bundesregierung vorgelegte Agrarpaket besteht aus drei Elementen:
I. Umschichtung von erster in die zweite Säule
II. Tierwohllabel
III. Klimaschutzmaßnahmen inkl. Insektenschutzprogramm und Novellierung Düngeverordnung
Speziell für den Insektenschutz soll es einen Sonderrahmenplan „Insektenschutz“ geben, der mit 50 Mio. Euro im Jahr ausgestattet sein soll.
Zu I.
Der Entwurf des Gesetzes zur Änderung des Direktzahlungen-Durchführungsgesetzes, den das Bundeskabinett am 4. September beschlossen hat, sieht Folgendes vor:
- Beschlossen wurde eine Anhebung der Umschichtungsmittel von bisher 4,5 % auf 6 %, die Forderung von NGOs, Bioverbänden, einzelnen Parteien (SPD, Grüne) belaufen sich auf 15 %.
- Durch die Anhebung ergibt sich eine Kürzung der Direktzahlungen um 4,50 €/ha.
- 90 % der sich durch die Anhebung ergebenden Aufstockung der in der zweiten Säule zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel sollen ausschließlich für die Landwirtschaft abrufbar sein.
BDM-Position:
- Angesichts der wirtschaftlichen Schieflage der Landwirtschaft und der bisher sehr großen Einkommensabhängigkeit von den Direktzahlungen hat der BDM weitere Anhebungen der Umschichtungsmittel abgelehnt.
- Voraussetzung für eine Zustimmung zur weiteren Anhebungen wäre, dass die Gemeinsamen Marktordnung weiterentwickelt wird – hin zu einer besseren Marktstellung der Landwirtschaft gegenüber der Verarbeitungsindustrie (Molkereien, Schlachtunternehmen etc.), die es ermöglicht, das Haupteinkommen wieder aus dem Verkauf ihrer Produkte zu erzielen (siehe BDM-Sektorstrategie 2030).
- Grundsätzlich wird sich zunehmend die Notwendigkeit ergeben, die Agrargelder an konkrete Leistungen der Landwirtschaft für die Gesellschaft (Umwelt-, Klimaschutz, Artenvielfalt, soziale Aspekte) zu binden. Bei den Verhandlungen zur Fortschreibung der GAP 2020 wird von einem Anteil von 40 % der Agrargelder für konkrete Leistungen (Eco-Schemes, zweite Säule) ausgegangen.
Zu II.
Der Entwurf des Tierwohlkennzeichengesetzes, den das Bundeskabinett beschlossen hat, sieht Folgendes vor:
- Das staatliche Tierwohllabel soll freiwillig, dreistufig angelegt sein und die Einstiegsstufe über den gesetzlichen Mindeststandards liegen. Die Anforderungen, die an die Haltung, den Transport und die Schlachtung von Tieren, von denen Lebensmittel gewonnen werden, geknüpft werden, sollen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden, die noch erarbeitet wird.
- Die Bundesregierung sichert in dem Entwurf zu, sich für die Einführung eines EU-weiten, verpflichtenden Kennzeichens einzusetzen.
BDM-Position:
- Die Freiwilligkeit hält der BDM für das größte Hindernis, wenn es darum geht, eine wirkliche Sichtbarkeit der verschiedenen Standards und gesellschaftliche Akzeptanz dafür zu erreichen.
- Der fast inflationären Flut von Labels der Handelskonzerne bzw. der Verarbeitungsindustrie wird mit dem freiwilligen staatlichen Tierwohllabel nicht entgegengewirkt werden können. Maxime dieser Handels- und Industrie-Labels ist die bessere Wettbewerbsposition im Buhlen um den Verbraucher, nicht die Leistbarkeit für die Erzeuger.
Zu III.
Die Klimaschutzmaßnahmen fußen auf einem 10-Punkte-Plan, konkrete Umsetzungsschritte liegen bisher nur teilweise vor
1. Senkung der Stickstoffüberschüsse
2. Energetische Nutzung von Wirtschaftsdüngern
3. Ausbau des Ökolandbaus
4. Emissionsminderungen in der Tierhaltung
5. Erhöhung der Energieeffizienz
6. Humusaufbau im Ackerland
7. Erhalt von Dauergrünland
8. Schutz von Moorböden/Reduktion von Torfeinsatz in Kultursubstraten
9. Erhalt und nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder und Holzverwendung
10. Stärkung nachhaltiger Ernährungsweisen
a) Vermeidung von Lebensmittelabfällen
b) Programm zur Stärkung der Nachhaltigkeit in der Gemeinschaftsverpflegung
Zu 1.
Aktuellen Berechnungen nach liegt die über dem errechneten Bedarf ausgebrachte N-Menge bei 97 kg/ha, mit der Novellierung der DVO wird eine Reduktion auf zunächst 70 kg/ha angestrebt.
BDM-Position:
- Die bereits im Zuge der DVO-Novellierung 2017 vertretene BDM-Position hat auch für die laufende Novellierung weiter Gültigkeit – wesentliche Inhalte sind:
- Pauschalierende Festlegungen über die gesamte LN (z.B. 170 kg N/ha aus organischen Düngemitteln) tragen nicht zu einer nachhaltigen Bewirtschaftung bei.
- Die Derogation ist wieder zuzulassen.
- Für Problemgebiete (rote Gebiete) müssen die notwendigen Maßnahmen wesentlich kleinteiliger und trennschärfer erfolgen, um dem Verursacherprinzip stärker Rechnung zu tragen.
- Dafür ist die vorhandene Messstellenproblematik umgehend zu lösen.
- Außerlandwirtschaftliche Einflüsse, vor allem im Phosphatbereich, sind auszuwerten und zu berücksichtigen.
- Bei der Festlegung von Sperrfristen gerade für Grünland sind wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen (z. B. Düngung im Spätherbst bzw. Frühwinter), die seit vielen Jahren bestehen.
- Das N-Reduktionsziel wird mitgetragen.
- Die am heftigsten kritisierte Regelung, wonach in roten Gebieten die Stickstoffdüngung pauschal 20% unter dem errechneten Bedarf erfolgen muss, muss zugunsten einer bedarfsgerechten Düngung wieder aufgehoben werden, wenn sich die Grundwasserqualität entsprechend verbessert hat (wie in Dänemark). Dazu sind ein konsequentes Monitoring und entsprechende Transparenz erforderlich.
Zu 3.
BDM-Position:
- Bei der zukünftigen Förderung des Ökolandbaus ist auf einen Erhalt des Marktgleichgewichts zu achten.
- Alle öffentlichen Einrichtungen müssen die Maßgabe erhalten, ganz überwiegend regional erzeugte Agrarprodukte einzusetzen.
Zu 4.
BDM-Position:
- Neben den im Klimaschutz zu den Emissionsminderungen in der Tierhaltung genannten Maßnahmen sind vor allem auch die Auswirkungen der Futtermittelimporte aus Drittländern zu betrachten und entsprechende Überlegungen anzustellen, diese deutlich zu minimieren. Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten macht es keinen Sinn, mit Importfuttermittel Agrarprodukte zu erzeugen, für die keine werthaltige Nachfrage besteht.
Bezüglich des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ist im Insektenschutzprogramm – dem Kernelement des Agrarpakets – u.a. vorgesehen:
- Ein nationales Verbot für die Anwendung von Glyphosat zum Ende der aktuell gültigen EU-Zulassung bis spätestens 31.12.2023.
- Eine Minderungsstrategie für Glyphosat ab 2020 um 75 % unter Einbezug öffentlicher Flächen, Gleisanlagen, privater Gärten etc.
- Bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln einzuhaltender Mindestabstand zu Gewässern, ausgenommen kleine Gewässer von wasserwirtschaftlich untergeordneter Bedeutung, von 5 Metern, wenn die Abstandsfläche dauerhaft begrünt ist, sonst von 10 Metern, wobei die Länder in gewässerreichen Niederungsgebieten abweichende Abstandsregelungen vorsehen können.
- Verbot ab 2021 für die Anwendung von Herbiziden und biodiversitätsschädigenden Insektiziden in Schutzgebieten. Dazu zählen FFH-Gebiete, Naturschutzgebiete, Nationalparks und gesetzlich geschützte Biotope im Sinne des § 30 des Bundesnaturschutzgesetzes. Außerdem gilt das Verbot in Vogelschutzgebieten mit Bedeutung für den Insektenschutz, die von den Ländern in eigener Zuständigkeit bestimmt werden. Welche Insektizide biodiversitätsschädigend sind und damit in den Schutzgebieten verboten werden, soll noch in der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung festgelegt werden.
- Artenreiches Grünland, Streuobstwiesen, Trockenmauern und Steinriegel sollen als Biotop unter den Biotopschutz des Bundesnaturschutzgesetzes aufgenommen werden und entsprechend mit Einschränkungen für den Pflanzenschutz belegt werden. Maßnahmen, die zur Erhaltung und insektenfreundlichen Bewirtschaftung dieser Biotope erforderlich sind, sowie eine finanzielle Förderung dieser Maßnahmen sind auch weiterhin möglich.
- Als Alternative zu den vom BMU geforderten 10 % Ausgleichsflächen für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln soll der Pflanzenschutzmittel anwendende Landwirt eine Kompensation für die Biodiversität aus einem Maßnahmenkatalog leisten.
- Ebenfalls enthalten: Maßnahmen gegen Lichtverschmutzung sowie die Verpflichtung der Bundesregierung gegen die Landversiegelung vorzugehen: bis 2030 muss der Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsflächen auf unter 30 ha/Tag reduziert werden, bis 2050 auf netto-null.
- Der Bund wird ab 2020 auf seinen Liegenschaften auf die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden verzichten, soweit nicht zwingende Gründe sie erfordern, und sich dafür einsetzen, dass weitere Städte und Kommunen diesem Beispiel folgen
Weiter soll es Maßnahmen geben, mit denen Kommunen bei der Umsetzung von Insektenschutzmaßnahmen unterstützt werden und Bürger zu einer insektenfreundlichen Gestaltung ihrer Gärten animiert werden.
(„Blaupause“ dieses Insektenschutzprogramms ist das bayerische Artenvielfalts-Volksbegehren, gegen das übrigens der BDM als einziger Verband noch bei der finalen Abstimmung demonstriert hat – auch hier mit der Argumentation, dass ein grundsätzliches Umsteuern nötig ist!)
Problematik:
Bezüglich der Flächenwirkung dieser Maßnahmen gibt es sehr unterschiedliche Darstellungen. Der Bauernverband sprach zunächst von ca. 3 Mio. Hektar LN, die davon betroffen seien, hat der diese Zahl später aber auf 2,3 Mio. Hektar LN korrigiert. Das BMEL kommt nach eigenen Berechnungen auf eine deutlich niedrigere Zahl der betroffenen Flächen.
Dr. Hermann Onko Aeikens, Staatsekretär im BMEL, hat in einem offenen Brief an DBV-Präsident Joachim Rukwied dessen Berechnungen in aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Als Verfechter emotionaler oder ökologischer „Ideologien“ ist Dr. Aeikens bisher eigentlich gänzlich unbekannt. Export bezeichnet er als „überlebensnotwendig“.
Anzunehmen ist, dass die hier erklärten Maßnahmen im Grundsatz mit Maßnahmen auf EU-Ebene kompatibel sein dürften, die im Zuge der zukünftigen Ausrichtung der GAP für den Erhalt von Agrargeldern nötig werden.
BDM-Position:
Bei nüchterner Betrachtung ist den Maßnahmen kaum zu widersprechen. Die angestrebte Reduktion von Pflanzenschutzmitteln sollte auch Ziel der Landwirtschaft sein. Eine Grundvoraussetzung dafür ist eine Verbesserung der wirtschaftlichen Situation durch eine Weiterentwicklung der Gemeinsamen Marktordnung zur deutlichen Verbesserung der Marktstellung der Landwirtschaft gegenüber der Verarbeitungsindustrie. Damit kann auch überzogenen Anforderungen der Verarbeiterseite im Hinblick auf Standards begegnet werden.
BDM-Fazit/Grundsatzposition:
Es gelten die im Zusammenhang mit den Aktionen gestellten Schwerpunktforderungen, die den Forderungen von „Land schafft Verbindung“ nicht widersprechen. Solange in der Agrarmarktpolitik nicht umgesteuert wird, können auch keine neuen Auflagen akzeptiert werden! Für ein gemeinsames Weiterwirken in dieser Bauernbewegung und nachhaltige Erfolge, müssen deren Forderungen entsprechend erweitert werden.
Schwerpunktforderungen:
Jetzt Umsteuern in der Agrar-MARKT-Politik – ein „Weiter so wie bisher“ darf es nicht geben!
Mit immer weiter verschärften Auflagen und höheren Produktionsstandards allein lassen sich die Probleme nicht lösen!
Wir brauchen Preise für unsere Produkte, die es uns ermöglichen,
- unsere Betriebe wirtschaftlich nachhaltig weiterzuentwickeln,
- eine gesellschaftsverträgliche Landwirtschaft zu erhalten,
- uns unabhängig von öffentlichen Haushalten zu machen,
- die vorhandene Überlastung der in der Landwirtschaft arbeitenden Menschen abzubauen,
- wirklich am gesellschaftlichen Leben in unseren Dörfern teilzuhaben,
- die notwendigen Veränderungen in Bezug auf Umwelt-, Klima-, Naturschutz und Tierwohlstandards zu erbringen.
Was ist zu tun?
- Das Umsteuern in der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und Gemeinsamen Marktordnung (GMO) sofort in Berlin und Brüssel einleiten.
- Die GMO dazu nutzen, die Marktstellung der Landwirte so zu verbessern, dass endlich unsere Produkte wieder gemäß ihrer hohen Wertigkeit bezahlt werden müssen!
- Die GAP dazu nutzen, dass zukünftig mit den bereitstehenden Agrargeldern unsere Leistungen für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz entsprechend ihrer hohen Wertigkeit entlohnt werden können!
- Solange dieses Umsteuern nicht eingeleitet und umgesetzt ist, müssen weitere Verschärfungen der Produktionsauflagen vermieden bzw. absolut notwendige Auflagen angemessen vergütet werden. Solange ein nachhaltiges Einkommen nicht erzielt werden kann, führen weitere Auflagen zum Nulltarif zum Ausstieg der Betriebe und zu einer weiteren Konzentration statt zu vielfältigen Betriebsstrukturen.
Die Milchbäuerinnen und -bauern im Schulterschluss mit der gesamten Landwirtschaft