Mit der Weiterentwicklung der so genannten Neuen Gentechnik (NGT) und dem Argument der drohenden Folgen eines sich verschärfenden Klimawandels drängen Pflanzenzüchter und Bauernverband darauf, die Neue Gentechnik ohne gesetzliche Beschränkungen nutzbar zu machen. Angesichts der (noch) zahlreichen Risiken, die auch die präzisere Form der neuen Gentechnik mit sich bringt, hält der BDM es hingegen für unabdingbar, dass auch für diese die EU-Freisetzungsrichtlinie gilt, die eine Genehmigungspflicht, eine umfassende Risikobewertung, die Rückverfolgbarkeit und die Kennzeichnung vorgibt – im deutschen Gentechnikrecht ergänzt durch die Erfassung in einem öffentlich zugänglichen Standortregister und Haftungsregeln.
Begründung:
Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen bedeutet einen massiven Eingriff in die Agro-Ökosysteme und die Lebensmittelproduktion mit Organismen, die nicht durch die Evolution angepasst wurden. Die Neue Gentechnik (NGT) – auch als ‚Genome Editing‘ bezeichnet – eröffnet Möglichkeiten, die über die herkömmliche Züchtung und die ‚alte‘ Gentechnik hinausgehen. Wichtigstes Werkzeug der NGT ist die ‚Gen-Schere‘ (Nuklease) CRISPR/Cas. Anders als physikalisch-chemische Mutagene, die in der konventionellen Züchtung genutzt werden, können Gen-Scheren direkt in die biologischen Mechanismen der Zelle eingreifen. Insbesondere die Gen-Schere CRISPR/Cas macht so erstmals das gesamte Erbgut für technische Eingriffe und Veränderungen verfügbar. Auch Erbanlagen, die bisher durch Züchtung kaum beeinflussbar waren, können jetzt verändert werden. Aufgrund ihres technischen Potenzials kann die NGT auch dann tiefgreifende Veränderungen in den biologischen Eigenschaften von Organismen herbeiführen, wenn keine zusätzliche Gene eingefügt werden. Diese Veränderungen können weit über das hinausgehen, was Evolution und herkömmliche Züchtung hervorgebracht haben. Es ist offensichtlich, dass mit diesen tiefgreifenden Veränderungen/Organismen auch spezifische Risiken verbunden sind.
Bisherige wissenschaftliche Überprüfungen der Technik stellten im Übrigen fest, dass der präzise Cripsr- Schnitt in vielen Fällen zu extensiven Genom-Schäden bzw. Erbgutveränderungen jenseits des Schnitts geführt hat.
Mit Blick auf die Eingriffstiefe der NGT hält der BDM die Behauptung, es handle sich bei der NGT lediglich um eine Beschleunigung der herkömmlichen Züchtung, für eine bewusste Verharmlosung. Eine Landwirtschaft ohne Gentechnik ist wegen der nicht rückholbaren Auskreuzungen nicht mehr möglich. Durch Patente geraten die Landwirte in Abhängigkeit von den Züchtern. Auf drängende Nachhaltigkeitsprobleme der Landwirtschaft oder Probleme des Naturschutzes ist auch die neue Gentechnik keine Antwort.
Ein Argument der Befürworter einer ungeregelten Zulassung der NGT lautet, dass Genome Editing zu einer „Demokratisierung“ der Pflanzenzucht führe, weil sich mithilfe des Genome Editing auch Pflanzen entwickeln ließen, die nur von regionalem Interesse seien – anders als bei der klassischen Gentechnik, die sich mit ihren extrem zeit- und kostenaufwändigen Zulassungsverfahren nur für Agrarkonzerne und große globale Märkte rechne. Der BDM hält dies für ein Scheinargument, da auch mit diesem teuren, nicht für jedermann verfügbaren Verfahren nur entwickelt wird, was sich „rechnet“.
Mit NGT ließe sich im Wettrüsten mit Krankheitserregern Zeit gewinnen – so ein gefährliches Argument der Befürworter. Aber man sieht nur, was man untersucht! Gerade wenn mit Zeitdruck geforscht und entwickelt wird, ist eine sorgfältige Prüfung umso wichtiger.
Sorgfalt und Genauigkeit bei der Folgenabschätzung muss in hochkomplexen Ökosystemen auch bei der Neuen Gentechnik Vorrang vor Schnelligkeit haben.
Für die Bäuerinnen und Bauern, für die Konsumenten, für Züchter/Saatguthersteller etc. sowie Verarbeitungsunternehmen und Handel muss weiterhin die Transparenz und Wahlfreiheit gewährleistet sein: Dafür braucht es die weiterhin eine klare Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Haftung für Gentechnik-Produkte.