Zertifizierungswahn vertreibt Schwalben aus den Ställen – das muss gestoppt werden!

Wenn es nach dem Willen der Lebensmittelindustrie inklusive der Supermarktketten geht, sollen Schwalben künftig aus den Ställen vertrieben werden. GLOBALG.A.P., ein privates internationales Zertifizierungssystem, das die Sicherung und Verbesserung der Absatzmöglichkeiten der Erzeuger regeln soll, gibt vor, dass Nester von Vögeln in den innenliegenden Bereichen, von denen eine Kontamination von Produkten ausgehen kann, vermieden werden müssen. Bestehende Nester müsse man zwar nicht entfernen, aber zum Bau neuer Nester sollen die „Bauherren“ nach außen an die Fassade gelenkt werden.

„Das ist ein absolutes Unding! Rauchschwalben sind seit Menschengedenken ein immer willkommener Bewohner unserer Ställe“, betont BDM-Vorstand Manfred Gilch. „Mit ihrem Hunger auf Insekten sind sie ein wichtiger ökologischer, aber auch ökonomischer Bestandteil, wenn es um Hygienemaßnahmen in unseren Ställen geht. Durch die Fütterung ihrer Brut mit Fliegen tragen sie dazu bei, dass der Fliegenbestand in Ställen keine Plage für Mensch und Tier wird – und das ganz ohne Chemieeinsatz.“

„Wer solche Vorgaben erarbeitet, hat von Natur und Artenschutz wirklich überhaupt keine Ahnung“, kritisiert Manfred Gilch, der einen Milchviehbetrieb in Mittelfranken bewirtschaftet. „Schon jedes Kind weiß, dass Rauchschwalben auf Nestbaumöglichkeiten in unseren Ställen regelrecht angewiesen sind. An den Hauswänden bauen die Mehlschwalben, zumindest in unseren Breitengraden! Rauchschwalben sind bereits eine bedrohte Tierart – die Tatsache, dass es immer weniger Milchviehhalter und damit auch immer weniger geeignete Ställe und Brutplätze gibt, trägt dazu nur noch einmal erheblich bei.“

„Warum gleich mit Kanonen auf Spatzen – oder in diesem Fall – auf Schwalben schießen? Gegen die Kontamination unseres Tierfutters haben wir längst einfache Lösungen im Praxiseinsatz. Bei Rauchschwalbennestern, die direkt über den Futtertischen bzw. über anderen Futterlagern bestehen bzw. gebaut werden, behelfen wir uns mit so genannten Kotbrettern, die unter dem Nest angebracht sind. Und wenn die Nester so liegen, dass der Kot auf die Laufgänge der Kühe fällt, dann ist er ja auch gleich an der richtigen Stelle“, erklärt Manfred Gilch.

„Dieser Hygienewahn und Zertifizierungsirrsinn muss gestoppt werden“, fordert Mathias Lohmeier, Milchviehhalter aus dem oberbayerischen Dorfen, „wir arbeiten mit und in der Natur, 100 Prozent klinische Verhältnisse werden wir da gottseidank nie vorfinden und das ist im Übrigen auch im Interesse von Gesundheit und Artenschutz absolut nicht erstrebenswert. Schon die von der Politik verordneten Vorschriften machen uns das Wirtschaften teilweise fast unmöglich. Mindestens genauso unerträglich aber sind die Vorschriften, die uns unsere Abnehmer aufdrücken“, betont Lohmeier. „Wenn diese dann dazu führen, dass wir gegen den Vogel- bzw. Artenschutz verstoßen sollen, ist wirklich Schicht im Schacht!“

„Der Zertifizierungswahn im Milchviehbereich hat vor rund 20 Jahren mit der Einführung von QM-Milch durch die deutsche Molkereiwirtschaft ganz klein angefangen. Nun stehen wir vor einem riesigen Berg an Vorschriften, die über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen und für die laufend Zertifizierungspapiere auszufüllen sind – ohne dass wir dafür entsprechend bezahlt werden“, beschreibt BDM-Vorstand Manfred Gilch die Situation der Milchviehhalter. „Wir müssen immer noch eine Schippe mehr drauflegen, nur um überhaupt Milch liefern zu „dürfen“. Wenn wir unsere Milch wirklich verkaufen wollen statt unsere Milch nur abliefern zu dürfen, dann brauchen wir Milchviehhalter eine wesentlich verbesserte Marktstellung. Im Jahr 2022 haben wir es einmal erlebt, wie schnell wirklich unsinnige und übertriebene Vorgaben einkassiert werden können, wenn Milch gesucht ist. Wenn wir es – wie in der BDM-Zukunftsstrategie 2030 beschrieben – hinkriegen würden, dass wir durch sinnvolles Management eine Marktsituation schaffen können, in der wir eher einen Verkäufermarkt haben, müssten Qualitätsstandards ausgehandelt und bezahlt werden. Mit überbordenden, unbezahlten Zertifizierungen wäre schnell Schuss“, ist sich Manfred Gilch sicher.

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