Im Mai wählt mit Nordrhein-Westfalen das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands einen neuen Landtag und die aktuellen Umfragen gehen von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem rot-grünen und dem regierenden schwarz-gelben Lager. Für das BDM-Landesteam NRW Grund genug, die agrarpolitischen Sprecher von SPD, CDU, Bündnisgrünen und der FDP zum Gespräch zu bitten. Dies konnte, trotz der angefangenen Planungen für eine Präsenzveranstaltung Corona-bedingt wieder nur im virtuellen Raum stattfinden.
Virtuelle Podiumsdiskussion zur Landtagswahl
Und so trafen sich mit den agrarpolitischen Sprechern Bianca Winkelmann (CDU), René Schneider (SPD), Norwich Rüße (B90/GRÜNE) und Agrarausschussmitglied Stephan Haupt (FDP) versierte Fachpolitiker mit dem BDM-Landesteam sowie BDM-Mitgliedern zum Meinungsaustausch. Nach der Begrüßung durch CO-Landesvorsitzenden Karl Watermann ergriff für die junge Generation Henrik Schulte das Wort, um die aktuelle Situation auf den Betrieben eindrücklich und prägnant zu schildern.
Karl Watermann machte in seiner Begrüßung darauf aufmerksam, dass aufgrund der steigenden Auflagen und den notwendigen Investitionen der wirtschaftliche und psychologische Druck auf den Betrieben stetig wachse und sich die Betriebsleiter in vielen Fällen diesem nicht mehr standhalten könnten. In Bezug auf die neuen Finanzzusagen an die Bundeswehr stelle er sich schon die Frage, wie die staatliche Anschubfinanzierung zum Umbau der Tierhaltung, die auch Milliardenbeträge verschlingen werde, finanziert werden sollte. Aus seiner Sicht sei eine agrarpolitische Zielsetzung die Kombination aus möglichst vielen Betrieben, die eine nachhaltige Landwirtschaft mit einem kostendeckenden und auskömmlichen Einkommen betreiben, so Watermann. Hierzu seien allerdings zwingend Marktrahmenbedingungen zu schaffen, die Ökonomie und Ökologie miteinander versöhnen.
Henrik Schulte, 21-jähriger Betriebsnachfolger und Landwirtschaftsschüler aus Ense, machte darauf aufmerksam, dass die Planungssicherheit in der Landwirtschaft aktuell nicht gegeben sei und daher die Fragen nach der betrieblichen Perspektive nicht leicht zu beantworten seien. Selbstverständlich komme auch die Landwirtschaft nicht an Veränderungen vorbei, diese müssten allerdings auch durch die Betriebe umsetzbar sein.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde der anwesenden Kandidaten übernahm Elmar Hannen, als BDM-Bundesvorstand und CO-Landesvorsitzender die Moderation der Veranstaltung. Der erste Themenbereich galt hierbei der Frage nach der Zukunft der Tierhaltung bzw. der weiteren Durchsetzung von Haltungsstufen durch LEH und Verarbeitungsindustrie. Hier machte Norwich Rüße für die Grünen deutlich, dass es keinen Weg zurück geben dürfe und eine Harmonisierung der Mehrwertsteuersätze zum Umbau der Tierhaltung aus seiner Sicht zu präferieren sei. Im Gegensatz hierzu betonte FDP-Vertreter Stephan Haupt die Notwendigkeit von EU-weit gleichen Marktbedingungen, die auch verlässlich gegenüber den Landwirten sein müssten. Nur so könnte ein investitionsfreundliches Klima, welches für den Umbau dringend von Nöten sei, geschaffen werden.
Rene Schneider machte für die Sozialdemokratie wiederum klar, dass es einen klaren und beständigen Verbraucherwunsch nach mehr Tierhaltung gäbe, dieser Transformationsprozess allerdings durch die Politik flankiert werden müsse. Daher müsse ein verlässlicher Rahmen durch die Politik geschaffen und für dessen Finanzierung gesorgt werden, so Schneider. Bianca Winkelmann spielte die im Raum stehende Frage, warum das seit 16 Jahren CDU/CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium nicht schon für eine Herkunftskennzeichnung auf nationaler Ebene gesorgt habe, umgehend an die SPD zurück. Diese habe in Berlin Veränderungen blockiert, so könnte man unter anderem bei der Umsetzung der Borchert-Empfehlungen schon viel weiter sein. Dabei sei jedem klar, so die Christdemokratin, dass die Zukunft durch die Beschlüsse der Zukunftskommission Landwirtschaft und der Borchert-Kommission schon mehr oder weniger vorgezeichnet seien. In Hinblick auf die Generierung von kostendeckenden Erzeugerpreisen plädierte die Landwirtin für den Blick nach vorn, zudem sei es positiv, dass durch Berechnungen wir der MMI das Kostenniveau schon gut feststellbar sei. Sie warnte allerdings auch davor, dass die Folgewirkungen des Ukraine-Konfliktes auch in Deutschland und bei der Landwirtschaft ankommen könnten.
Zum Bereich der Erzeugungskosten führte Stephan Haupt für die Liberalen aus, dass ein Einkauf des LEH unter den Produktionskosten ausgeschlossen werden solle. Hier hätten sich Preisbeobachtungsstellen, wie sie auf EU-Ebene schon vorhanden seien, in seinen Augen bewährt. Des Weiteren sollten die Landwirte durch eine Verbreiterung der Schwarzen Liste innerhalb des UTP-Gesetzes geschützt werden. Rene Schneider sah eher das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage als entscheidend an, um kostendeckende Preise zu erreichen. Er sprach sich in diesem Zusammenhang für einen Übergang von Preis- zu Qualitätsführerschaft aus. Den weitgehendsten Ansatz wählte Bio-Bauer Rüße, der zu bedenken gab, dass es keine EU-einheitliche Regelung zum Thema Erzeugungskosten geben werde und daher eher die Kombination aus wirksamen Kriseninstrumenten und Branchenorganisationen auf Erzeugerseite forderte.
Zum Thema des Artikels 148 GMO war sich die Runde – mit Ausnahme der Unions-Vertreterin – ziemlich einig: Eine Umsetzung sei schon seit geraumer Zeit überfällig und könnte die Marktmacht der Erzeuger auch kurzfristig stärken. Norwich Rüße warb hier eindringlich für die Stärkung auch kleinerer Erzeugergemeinschaften, da durch das Vorhandensein von mehr „Playern“ im Markt auch die Vielschichtigkeit der Landwirtschaft abgebildet und gestärkt werden könne. Rene Schneider warb hier für ein Ende der Externalisierung von Kosten, um auch die langfristigen Umwelt- und Strukturkosten abbilden zu können, während Bianca Winkelmann vor allem die Genossenschaften in der Pflicht sah, um bessere Preise zu generieren.
Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit wurde das abschließende Thema Ernährungssouveränität / Herkunftskennzeichnung nur kurz behandelt: Grundsätzlich sahen alle Protagonisten in einer möglichst klaren Herkunftskennzeichnung einen Weg zu mehr Wertschöpfung, allerdings sprachen sich Winkelmann und Haupt ebenso deutlich für eine Stärkung des Agrarexports aus.
Die Schlussrunde kam zum Schluss, dass die Erwartungen an die Ampelkoalition in Berlin vor großen Erwartungen stehe und verlässliche Rahmenbedingungen gefragt seien.
In seinem Schlusswort konnte BDM-Bundesbeirat Albert Engbert ein bislang fast ungekanntes Maß an Übereinstimmungen zwischen den politischen Lagern feststellen. Er verwies nochmals auf die angespannte Situation auf den Höfen und forderte nach der Landtagswahl mehr Engagement von der neuen Landesregierung ein.