ST: Parlamentarisches Frühstück in Magdeburg – Wohin dreht der Milchmarkt?

(Magdeburg/Sachsen-Anhalt). Im Rahmen des Parlamentarischen Frühstücks des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter e.V. wurde die zentrale Frage diskutiert: Wohin dreht der Milchmarkt ohne ein innovatives Marktkrisenmanagement? Peter Schuchmann, BDM-Landesteamleiter Sachsen-Anhalt, freute sich über das große Interesse der Politik und begrüßte Landwirtschaftsministerin Prof. Claudia Dalbert, die Präsidentin des Landtag von Sachsen-Anhalt, Gabriele Brakebusch, den Staatssekretär des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt, Dr. Ralf-Peter Weber sowie die Mitglieder des Agrarausschusses und Vertreter der Banken und anderer Landwirtschaftsverbände.

Mit einem kurzen Eröffnungsvortrag schilderte Prof. Claudia Dalbert die Situation in Sachsen-Anhalt.  Seit der Krise haben 84 Betriebe aufgegeben. Das Hauptproblem hat die Ministerin erkannt: „Es gibt zu viel Milch am Markt“, so Dalbert. „Aus diesem Grund muss in Krisenzeiten die Anlieferungsmenge reduziert werden“, argumentierte sie vor über 40 Gästen im Kunstmuseum „Kloster Unser Lieben Frauen“. Die Ministerin sah in den auferlegten Programmen der EU zur Mengenverringerung einen großen Erfolg. Allein in Sachsen-Anhalt haben 115 Milchviehhalter daran teilgenommen und insgesamt wurden über 9,2 Mio. kg Milch reduziert.
Gleichzeitig warnte Prof. Dalbert vor zu viel Euphorie auf dem Milchmarkt: „Die 30 Cent-Marke ist greifbar und wird vielleicht dieses Jahr noch überschritten. Allerdings hat sich strukturell nichts geändert und die Brisanz bleibt noch immer da“. Zukünftig will sich die Landwirtschaftsministerin weiter für ein europäisches Milchmarkt-Krisenmanagement einsetzen. Sie argumentierte: „Wenn die rechtlichen Voraussetzungen nicht bestehen, dann muss die Politik die Rahmenbedingungen gestalten“. Aus ihrer Sicht sollte die Kommunikationslücke auf dem Milchmarkt über Anlieferung und tatsächliche Nachfrage überwunden werden. Daher sprach sie sich für gesetzliche Marktbeobachtungsinstrumente aus, die für höhere Transparenz sorgen und bei sinkender Nachfrage Alarm schlagen. Darüber hinaus prangerte Prof. Dalbert das noch immer bestehende Ungleichgewicht bei den Marktteilnehmern an. Flexiblere Lieferbeziehungen und Vertragsverhandlungen über Preise, Mengen und Laufzeiten eines festzulegenden Milchangebotes würden aus ihrer Sicht die Übermacht der Molkereien und des Handels aufbrechen und die Erzeuger zu einer besseren Position verhelfen.
Aus diesem Grund forderte BDM-Bundesvorstandsmitglied Karsten Hansen die anwesenden Politiker auf, das BDM-Konzept zum Milchmarkt-Krisenmanagement zu unterstützen. Bei der Veranstaltung wies Hansen darauf hin, dass die EU-Hilfspakete ein Schritt in die richtige Richtung waren. „Die harte BDM-Arbeit hat sich gelohnt und bei den Landwirtschaftspolitikern zu einem Umdenken geführt. Zum ersten Mal wurden finanzielle Mittel an eine Deckelung der Menge geknüpft“, betonte Hansen. Die Hilfsprogramme waren mehrfach überzeichnet und wurden aufgrund der starken Beteiligung der Bauern zum großen Erfolg. Gleichzeitig führte die Reduzierung der Milchanlieferung zu einer Wende auf dem Milchmarkt. „Nun muss aber an einer dauerhaften Lösung gearbeitet werden. Denn jetzt sind die Gelder der Superabgabe 2014 aufgebraucht“, betonte der Milchviehhalter.
Für eine kontroverse Diskussion sorgten die Meinungen über die zukünftige Agrarpolitik von den CDU und SPD-Vertretern. Bernhard Daldrup (CDU) sprach sich eindeutig für den freien Markt aus. Der Export würde Chancen für einen höheren Absatz bieten, so der CDU-Agrarpolitiker. Ein europäisches Milchmarkt-Krisenmanagement lehnte er vehement ab. Dabei ließ er völlig offen, wie in einem unelastischen Markt die Anpassung erfolgen soll. Nach seiner Meinung sollten die Betriebe mit der Milchviehhaltung aufhören, welche mit den Schwankungen am Markt nicht mithalten könnten. Aus den Reihen der aktiven Milchviehhalter wurde Daldrups Position kritisch hinterfragt: „Warum soll mehr Milch unter den Erzeugungskosten produziert werden, wenn es dafür keinen Markt mit auskömmlichen Auszahlungspreisen gibt?“, äußerte sich Frank Lenz. Jürgen Barth, agrarpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion und stellv. Vorsitzender im Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, beschrieb die Situation der Milchviehbetriebe mit dem Strukturwandel in der Landwirtschaft. „Sachsen-Anhalt ist überwiegend ein Ackerland und die Betriebe mit Kühen stehen vor der Entscheidung zu investieren oder den Produktionszweig Milch einzustellen“, argumentierte er. Dorothea Frederking, agrarpolitische Sprecherin Bündnis 90/Die Grünen, begrüßte die Zusammenarbeit von den Landesverbänden des BDM und Bauernverbandes in Mecklenburg-Vorpommern und wünschte sich diese Annäherung bei den Landwirtschaftsverbänden auch in Sachsen-Anhalt.
Ein bloßes „weiter so“ wurde seitens anderer Verbände und Bankenvertretern kritisiert. Die Krise auf dem Milchmarkt wirkte sich sehr stark auf den vor- und nachgelagerten Bereich aus.  Mit dem Einstellen der arbeitsintensiven Milchproduktion im ländlichen Raum würden komplette Strukturen wegbrechen. Kann die Politik das wirklich wollen? Vor allem muss die Quersubventionierung bei der Milch ein Ende finden. Die Auswertungen der EU-Hilfsprogramme haben gezeigt, dass in Krisenzeiten durch eine europaweite Mengendisziplin mit kleinen prozentualen Änderungen bei der Milchanlieferungsmenge der Milchpreis stabilisiert wird.
Der BDM e.V. hat mit seinem Milchmarkt-Krisenmanagement-Konzept einen Vorschlag erarbeitet und vorgelegt, mit dem auf Grundlage der von der Milk Market Observatory Dashboard der EU-Kommission dargestellten Marktentwicklungen reagiert werden kann. Dazu bedarf es der Installierung einer rechtlichen Grundlage, jedoch nicht eines direkten Eingriffes des Staates mithilfe von im Einzelfall von den Parlamenten bzw. der EU-Kommission zu beschließenden konkreten Mengenveränderungsschritten. Die oft verwendete Argumentation, das BDM-Konzept sei staatlich verordnete Planwirtschaft, trifft nicht zu.

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