Nach der neuerlichen Regierungsbildung in Hessen traf sich das BDM-Landesteam mit den verantwortlichen Fachpolitikern der Grünen-Landtagsfraktion für Landwirtschaft, Umwelt und Naturschutz: Martina Feldmayer, Stellv. Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Umweltschutz und Klimaschutz, Vanessa Gronemann, Sprecherin für Verbraucherschutz, Naturschutz und Sport sowie Hans-Jürgen Müller, Sprecher für Landwirtschaft, Tierschutz und Jagd.
HE: Breites Themenspektrum im Wiesbadener Landtag
Aufgrund des offensichtlich breiten Themenspektrums dauerte das Gespräch länger als die zwei anvisierten Stunden. Zentral war selbstverständlich das Thema des Milchmarktes und der nötigen Steigerung der Resistenz in Krisenzeiten.
Hier machte der Fuldaer-Kreisvorsitzende Paul Jestädt mit seiner beeindruckenden Buchführung auf ein zentrales Problem aufmerksam: Schon im Jahre 1976 – und damit vor mehr als 40 Jahren – habe der umgerechnete Milchauszahlungspreis bei 32,09 Eurocent / kg gelegen; ein Niveau, welches praktisch deckungsgleich mit dem heutigen Auszahlungsniveau sei. Und dies trotz seit 43 Jahren stattgefundener Inflation und einer massiven Erhöhung der Anforderungen an die Milchviehhalter. Klaus Vetter als BDM-Co-Landesvorsitzender mahnte in diesem Zusammenhang sowohl eine effektive und mengenbasierte Absicherung gegen Krisensituationen an, unterstrich aber auch die Notwendigkeit einer allgemeinen Besserstellung der Milchviehhaltung in der Wertschöpfungskette. Nur eine kombinierte Realisierung des Milchmarktkrisenmodells des BDM und einer „Scharfstellung“ des Art. 148 der Gemeinsamen Marktordnung könne die Situation der Milcherzeuger nachhaltig verbessern.
Hier machte Klaus Vetter deutlich, dass auch im Bio-Bereich der Milcherzeugung keinesfalls Entwarnung gegeben werden könne. Aufgrund der deutlich höheren Erzeugungskosten sei im Bio-Sektor eine ähnliche Unterdeckung zwischen Erzeugungskosten und Auszahlungspreisen zu verzeichnen, wie im konventionellen Sektor. Auch die Tatsache, dass vor allem wertschöpfungsorientierte Molkereien keine neuen Bio-Erzeuger aufgrund der unsicheren Abnahmesituation aufnehmen würden, spreche dafür, dass die strukturellen Probleme auf dem Milchmarkt auch auf den Bio-Markt ausstrahlen.
Ein weiterer Diskussionspunkt war die Entwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU in der nächsten Förderperiode. Die BDM-Milchviehhalter machten hier deutlich, dass eine Abkehr vom bisherigen System der primären Flächenprämierung durchaus anzustreben sei, es allerdings primär auf eine Veränderung der Gemeinsamen Marktordnung ankomme, um kostendeckende Preise für Agrarprodukte auf den Märkten realisieren zu können. Keinesfalls dürfe es allerdings dazu kommen, nun schon eine deutliche Wendung in der Förderpolitik ohne parallele Veränderung in der Marktorganisation zu realisieren. Grundsätzlich sollten die Milchviehhalter aufgrund der hohen Arbeits-, Kapital- und Investitionsintensität der Milchviehhaltung in einem zukünftigen Förderungssystem der EU besser gefördert werden, so ergänzte Gerd Arras, der sich auch im Landesteam Hessen engagiert.
Bei der Diskussion um die Perspektive der Landwirtschaft in Hessen fiel bald der Blick auf die europäische und die globale Perspektive: Durch die, einseitig auf Produktion ausgelegte EU-Agrarpolitik werde die Ressourcen-verbrauchende und gleichzeitig für Erzeuger und Tiere desaströse Mengenorientierung gefördert. Ebenso schaffe der, in den vergangenen Jahrzehnten politisch gewollte, Import von Futtermitteln wiederum mehr Probleme als Lösungen: Während Nährstoffüberschüsse in der EU verblieben, würden die mit den Importen erzeugten Nahrungsmittel keine ordentliche Wertschöpfung bei den Erzeugern generieren, so Klaus Vetter.
In Bezug auf die sich intensivierende Klimadebatte räumten die BDM-Vertreter auch die Bedeutung der Landwirtschaft in Bezug auf CO2-Emmissionen ein; allerdings sei die Landwirtschaft auch der einzige Wirtschaftszweig, der durch Aufwuchs – gerade im Grünland – auch CO2 wieder aktiv binden könne. Im Übrigen sei das Abwenden der – von der Ernährungsindustrie gewollten – Überproduktion an landwirtschaftlichen Produkten das beste Mittel gegen unsinnige klimaschädliche Emissionen, so Vetter.
Gegen Ende des Gesprächs forderten Klaus Vetter, Gerd Arras und Paul Jestädt eine deutlich aktivere Rolle der hessischen Staatsregierung in Form der grünen Agrarministerin Priska Hinz ein, um auf bundespolitischer Ebene wieder Impulse für die Milcherzeuger zu setzen. Beschlossen wurde der Termin mit einem Schnappschuss vor dem hessischen „Jubiläums-Löwen“ im Innenhof des Wiesbadener Stadtschlosses, der an das 70-jährige Jubiläum des Bundeslandes erinnert.