Gemeinsame Videokonferenz der Verbände: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft e.V. (AbL), Bundesverband Deutscher Milchviehhalter e.V. (BDM) und LsV Ostfriesland e.V.
Die Bundestagswahl im September wirft ihre Schatten voraus – den Kandidaten für den Wahlkreis Aurich – Emden auf den „Zahn gefühlt“
„Die Landwirtschaft in Ostfriesland – Zukunft gesichert oder notwendiger Systemwechsel?“, zu diesem Thema luden Ottmar Ilchmann (AbL), Peter Habbena (BDM) und Udo Haßbargen (LsV Ostfriesland) die Mitglieder ihrer Vereine zu einer digitalen Gesprächsrunde mit den Bundestagskandidaten des Wahlkreises Aurich – Emden am Donnerstag, 17.06.2021 um 20.00 Uhr ein.
Nach einer kurzen Begrüßung und persönlichen Vorstellung eröffnete Otmar Ilchmann die Veranstaltung.
Er wies gleich zu Beginn auf die Bedeutung der Landwirtschaft in Ostfriesland hin: „ Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Stützpfeiler für die Region“, so Ilchmann. „Bauern haben ähnliche Sorgen und Nöte, sie bündeln sich“, so der Landesvorsitzende der AbL in Niedersachsen mit einem Verweis auf die gemeinsamen Protestaktionen vom letzten Freitag, 11.06. in Zeven und Edewecht. Klar formulierte er seine Fragen an die eingeladenen Bundestagskandidaten: „Wie sehen Sie die Zukunft der Milcherzeugung? Wie stehen Sie zum Ungleichgewicht der Milcherzeuger am Markt? Welche Konzepte Ihrer Parteien gibt es, um eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zu schaffen?“
Nacheinander bezogen die Kandidatin der FDP und die Kandidaten der CDU, der Grünen sowie der SPD Stellung zu den Fragen.
Einig waren sich alle in der Bedeutung der Landwirtschaft. „Ohne Landwirtschaft auch kein ländlicher Raum“, so Sarah Buss die Spitzenkandidatin der FDP für den Bundestag im Wahlkreis Aurich – Emden. Die Richterin am Amtsgericht in Aurich stellte heraus, dass jeder Landwirt auch ein Unternehmer ist. „Mit der FDP wird es keine staatlichen Eingriffe in die Preispolitik geben, meine Partei steht für „weniger Staat“, so Sarah Buss. Klar sei ihr, dass es global aber auch innerhalb der EU unterschiedliche Standards gebe, die bei den Landwirten zu Druck in der Erzeugung ihrer Produkte führen. „Hier werde ich mich für eine Angleichung der Standards einsetzen. Für Sie sind verlässliche Rahmenbedingungen erforderlich“, so die junge FDP-Politikerin zu den Landwirten.
Für Dr. Joachim Lübbo Kleen, Tierarzt und Spitzenkandidat der CDU für den Wahlkreis sind auf die Fragen keine einfachen Antworten möglich.
„Die Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe wird davon abhängen, was die Landwirte selbst wollen. Viele Herausforderungen sind nur von den Betrieben zu stemmen“, so der Bundestagskandidat der CDU. Er begrüßte ausdrücklich die Proteste der Landwirte. „Es ist wichtig, von der Politik gehört zu werden“, betonte Kleen.
Stefan Maas, Bundestagskandidat der Partei Bündnis 90/ Die Grünen wies in seiner Antwort auf den Druck der Landwirte hin, immer mehr und immer billiger zu produzieren. „Das steht oft im krassen Widerspruch dazu, was die Landwirte eigentlich wollen. Es ist wichtig, dass die Arbeit auf den Höfen Freude bereitet, dahin müssen wir wieder kommen. Die dafür notwendigen Rahmenbedingungen muss die Politik schaffen“, so der Grünen-Politiker.
Bundestagsmitglied Johann Saathoff, SPD (zugleich auch wieder Spitzenkandidat seiner Partei für den WK Aurich – Emden) stellte die „Regionale Vermarktung“ als Chance und mögliches weiteres Standbein einer zukünftigen ostfriesischen Landwirtschaft heraus. „Es ist ein Skandal, dass wir keinen Käse und keine Milch aus Ostfriesland in den Supermärkten unserer Region finden“, so Saathoff.
Im weiteren Gesprächsverlauf ging es dann noch um die Themen Exportmarktstrategie, Tierwohl und „Labelflut“ sowie die regionalen Auswirkungen des „Niedersächsischen Weges“ in Ostfriesland.
Dr. Kleen führte zum Thema Exportmarktstrategie aus, dass die Landwirtschaft in Deutschland keine Furcht vor dem Weltmarkt haben muss. Nationalen oder europäischen Sonderregelungen steht er kritisch gegenüber. „Freihandelsabkommen z.B. haben immer auch eine politische Komponente“, so der CDU-Politiker. „Bei Insellösungen diktieren am Ende dann andere die Regeln.“
In den Augen von Stefan Maas ist der wirtschaftliche Austausch wichtig. „Ebenso wichtig ist aber die Angleichung der Standards“, betonte er.
Johann Saathoff führte an, dass es wichtig sei, regelbasierte Freihandelsabkommen zu vereinbaren. „Es müssen immer beide Seiten betrachtet werden“, ergänzte er.
Sarah Buss stimmte ihren Vorrednern zu, stellte aber noch einmal heraus, dass die Politik für vergleichbare und überprüfbare Standards in Freihandelsabkommen sorgen muss. „Außerdem ist es wichtig, dass wir durch unser Vorgehen nicht Märkte in anderen Ländern gefährden“, fügte sie an.
Zum Thema Tierwohl und „Labelflut“ führte Stefan Maas aus, dass es für den Verbraucher wichtig ist zu wissen, woher ein Lebensmittel kommt. Er hält in diesem Zusammenhang mehr Transparenz für erforderlich.
Auch für Johann Saathoff führt ein „Wald voller Label“ nur zur Verunsicherung der Verbraucher. „Es bedarf klarer und einfacher Label, fair und transparent. Der Verbraucher muss sich ein Bild darüber machen können, was er kauft“, forderte der SPD-Politiker klar.
(„Was immer du tust, tue es klug und bedenke das Ende“, zitierte Saathoff.)
Sarah Buss betonte, dass eine „Labelflut“ niemandem diene. „Der Verbraucher greife letztlich doch häufig zum Produkt mit dem günstigsten Preis.“
Joachim Kleen stellte heraus, dass mit der „Labeleinführung“ gewisse Standards gesetzt wurden, z.B. mit dem Tierschutzlabel. Provokant stellte er aber die Frage, „Wer hat etwas von diesen Labeln?“ Label machen für ihn nur Sinn, wenn diese auf wissenschaftlich fundierten Standards beruhen. Warum ein Tierwohllabel? Was bedeutet denn „Tierwohl“? Welche Standards definieren Tierwohl? Klare Aussage von ihm: „Es ging den Tieren in Deutschland noch nie so gut wie heute“, so der Tierarzt.
In der abschließenden Diskussion ging es um den Niedersächsischen Weg und die regionalen Auswirkungen für Ostfriesland.
Alle Politiker betonten, dass es sich um ein wichtiges und gutes Projekt handelt. „Es gehe jetzt darum, die guten Ideen auch umzusetzen“, so Sarah Buss. „Es ist immer besser, miteinander, anstatt übereinander zu reden“, betont die FDP-Politikerin.
Ottmar Ilchmann, der selbst an dem Projekt mitgearbeitet hat, ergänzte: „Es ist wichtig, „den Geist“ des Niedersächsischen Wegs, der hoffnungsvoll stimmen lässt, mitzunehmen, wenn es jetzt an die Umsetzung geht. Da kommt viel harte Arbeit auf alle Beteiligten zu“, so der AbL-Landesvorsitzende aus Niedersachsen.
Zum Schluss bat Theo Schneider (LsV Ostfriesland) alle Gäste um ein abschließendes Statement.
Sarah Buss betonte darin, dass ihr der Dank der Bevölkerung für die Landwirte zu gering sei. Auch fehlen ihr im Parlament Experten aus der Landwirtschaft. „Sie sind zu wenig politisch aktiv“, so die abschließenden Worte von Buss.
Dr. Kleen stellte noch einmal heraus, dass ihm eine überlebensfähige Landwirtschaft am Herzen liege. Er gab kein Versprechen ab, sagte aber zu, dass er sich dafür einsetzen werde, dass es wieder Betriebe geben werde, auf denen die Arbeit wieder Spaß macht.
Stefan Maas gab den Landwirten mit auf den Weg, keine Angst zu haben vor Veränderungen. „Der Niedersächsische Weg ist nur der Anfang“, so der Grünen-Politiker.
Johann Saathoff dankte den Gastgebern für die Einladung und seinen Mitbewerbern für die offene Diskussion. Er stellte noch einmal die Direktvermarktung als eine Möglichkeit der Wertschöpfung heraus und plädierte für transparente, verbraucherfreundliche Label in der Zukunft.
Die Teilnehmer der Gesprächsrunde lobten das Format und zeigten sich mit dem Verlauf der Veranstaltung zufrieden.
BDM-Landesvorstand Niedersachsen