Auf Einladung der BDM – Kreisteams der Oberpfalz fanden sich mehr als 200 Milchviehhalter im oberpfälzischen Altenstadt / WN ein, um alle Positionen zum Thema Milchpolitik und Milchvermarktung zu wiegen und zu befinden. Bei seiner Begrüßung freute sich der BDM – Kreisvorsitzende Werner Reinl, dass nach einigen „Milchbauerntagen“ – bei denen es fast ausschließlich darum ging, noch mehr Milch noch billiger zu produzieren, auch dieser Einladung so viele gefolgt sind und der Saal mehr als voll war.
BY: Milchpolitik Thema in der Oberpfalz
Den Auftakt hierzu machte Dr. Siegfried Kiener vom Landwirtschaftsamt Weiden, der in seinem Grußwort ausführte, dass das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten „ohne Denkverbote“ alle Möglichkeiten der Krisenprävention für den Milchmarkt prüfe und analysiere. Hier habe Amtschef Bittlmayer auf der BDM-Landesdelegiertenkonferenz im Oktober2015 seine Zusage gegeben, auch mengenwirksame Maßnahmen zu prüfen.
Dr. Kiener gestand ein, dass viele, auch bayerische Betriebe unter akuten Liquiditätsproblemen litten und somit schnell wirksame Maßnahmen von Nöten seien. Den Vorwurf, der Staat verlasse den Milchmarkt aufgrund des Quotenendes komplett, konnte er allerdings nicht nachvollziehen, bestünden durch die Interventionsmöglichkeiten, die Förderung durch das AIP und KULAP doch weiterhin staatliche Maßnahmen für die Milchbauern. Ein Einwand, der von den anwesenden Milchviehhaltern eher skeptisch vernommen wurde.
Die Einleitung zu den verschiedenen Vorträgen übernahm Matthias Zahn, BDM-Kreisteamleiter im Kreis Tirschenreuth, der auch souverän die an die Referate anschließende Fragerunde moderierte.
Als erster übernahm Günther Felßner, Vizepräsident des Bayerischen Bauernverbandes und in dieser Position besonders kenntnisreich im Milchsektor, das Mikrofon. Leider konnte Felßner außer einem Insistieren auf freien und liberalisierten Märkten und dem erwartbaren Verweis auf ungenutzte Marktchancen aufgrund des Quotenregimes keine praktikablen Lösungsmöglichkeiten für die aktuelle Krise präsentieren. Vielmehr war der ganze Stolz des Milchpräsidenten des BBV der Verweis auf das 2 Cent höhere Preisniveau in Bayern im Vergleich zum Bundesschnitt. Zwar könne man beim absoluten Preis von ca. 30 Cent nicht zufrieden sein, es sei allerdings auch Ergebnis der milchpolitischen Arbeit des BBV, dass Bayern bei den Auszahlungspreisen vorne läge – ein Kommentar, der von vielen der Anwesenden mit Gelächter quittiert wurde.
Inhaltlich äußerte sich Felßner nur in einer pauschalen Ablehnung aller Modelle zur Steuerung der angebotenen Mengen im Krisenfall, Lösungsmöglichkeiten sieht der bayerische „Milchkönig“ nur in einem weiteren Ausbau des Geflecht von VMB, LVBM und anderen BBV-Vehikeln. Im Endeffekt blieb ein Vortrag, der von vielen der anwesenden Milchviehhalter mit Unverständnis entgegen genommen wurde und bei dem sich das Unverständnis der Milcherzeuger bei der anschließenden Fragestunde auch deutlich zeigte. Am Ende Fragten sich viele Teilnehmer der Versammlung, wieviel denn noch passieren muss, damit beim BBV endlich mal etwas passiert.
Nachdem Günther Felßner die Fragestunde, die teilweise einer Generalabrechnung mit der Milchpolitik des BBV in den vergangenen Jahren entsprach, überstanden hatte, ergriff Johannes Pfaller, Vorsitzender des BDM-Bundesbeirats, das Wort. Er machte deutlich, dass für jeden Markt Regeln bestünden und dies auch aus gutem Grund: Plastisch erläuterte er dies an seinem Aufenthalt in Indien: Durch das Nichtvorhandensein von Verkehrsregeln entstünde dort im Straßenverkehr auch ein „freier Markt“. Trotzdem sei der europäische Straßenverkehr – auch und gerade – durch das Vorhandensein von einigen Verkehrsregeln und Ampelanlagen effizienter und sicherer. Das Ampelbeispiel benutzte Pfaller geschickt, um auf das Programm zum Management von Marktkrisen des BDM überzuleiten. Hier sei das Ziel, den Markt trotz der unangetasteten individuellen Verantwortung und Freiheit der Betriebsleiter mit möglichst kleinen Eingriffen vor einer Negativentwicklung zu schützen. Pfaller machte deutlich, dass die aktuelle Milchkrise vornehmlich aufgrund der europäischen Mehrproduktion entstanden sei und dass das Problem daher auch eine europäische Lösung verlange. Ebenso hob Pfaller hervor, dass das vorgeschlagene Programm auf eine größtmögliche Eigenverantwortung der Milchviehhalter setzt und zwingend staatliche Eingriffe nur als letzten Schritt beinhaltet.
Nach der Mittagspause, in der sich viele Milchviehhalter über die Untätigkeit des Bayerischen Bauernverbands erregten, stand das Thema Vermarktung im Zentrum der Referate. Hierzu waren mit Markus Seemüller, Geschäftsführer der Bayern MEG, und Peter Guhl, Vorsitzender des MEG Milchboard, zwei kompetente Referenten geladen. Einig waren sich beide Referenten in der Analyse, dass die Bündelung der Milcherzeuger in Süddeutschland schon viel weiter fortgeschritten sei als im Norden der Republik. So habe die Bayern MEG mit 2,8 Millionen Kilo Milch eine starke Marktstellung etabliert, welche es, laut Seemüller gelte, weiterhin auszubauen. Der Vortrag orientierte sich vornehmlich am Funktionieren des Marktes – von Krise und entsprechenden Gegenmaßnahmen war eher wenig zu hören. Der Vortrag zeigte sich sehr Praxisnah mit konkreten Vorschlägen einer besseren Stellung der Milcherzeuger im Markt.
Peter Guhl verband gelungen die aktuelle Krise auf dem Milchmarkt mit den längerfristigen Aussichten der Milchviehhalter. Hat die MEG Milch Board w.V. doch eine sogenannte RoadMap entwickelt, die ein Gleichgewicht der Marktmacht zwischen Milcherzeugern und Milchverarbeitern anstrebe. Hier seien feste Lieferverträge, die sowohl den ausbezahlten Milchpreis, als auch die angelieferte Menge und einen festen Vertragszeitraum beinhalten, essentiell, um die Marktstellung der Milchviehhalter zu verbessern, so Guhl. In Anbetracht der aktuellen Krise sei allerdings ein wirksamer Eingriff in den Markt von Nöten und hier sei das BDM-Konzept das einzig ernstzunehmende, welches in der Lage sei, Krisensituationen wie die aktuelle zu verhindern und existenzgefährdende Marktkrisen auszuschließen. Auch zu den Ausführungen des Vorredners der Bayern MEG fanden sich immer wieder parallelen. Es müsse im Zusammenspiel gelingen, die Möglichkeiten des Agrarmarktstrukturgesetzes zu nutzen und gleichzeitig die Krisenanfälligkeit des Milchmarktes zu reduzieren, um eine möglichst breite und flächendeckende Milcherzeugung in Deutschland zu erhalten, so Guhl, der in Mecklenburg selbst einen Milchviehbetrieb mit angeschlossener Direktvermarktung führt.
Die zum Abschluss kurz gehaltene Podiumsdiskussion endete in den schon angelegten Bahnen: Günther Felßner gab noch einmal seine prinzipielle Ablehnung mengenregulierender Maßnahmen zu Protokoll, fand aber – wenn auch unter deutlichen Unmutsäußerungen der anwesenden Landwirte – dennoch den Mut, sich neuerlich für die 2 Cent des bayerischen Milchpreises über dem Bundesdurchschnitt zu rühmen. Das von Johannes Pfaller vorgestellte Programm zum Management von Krisen auf dem Milchmarkt wurde weitaus positiver aufgenommen. Dies gipfelte in der Wortmeldung, dass immer noch die agrarindustriellen Interessen des BBV Vorrang vor den Interessen der Milchviehhalter hätten und der BDM hier weiter streiten müsse.
In der Endansicht besteht der Eindruck, dass sich der traditionelle Berufstand weiterhin den Schlagwörtern „Wachsen“ und „Weltmarkt“ anschließt und eine Form der Diskussion pflegt, die ausschließlich quantitativ auf den Weltmarkt blickt. Dabei die in Bayern entstehende Wertschöpfung aber komplett aus den Augen verliert, den Strukturwandel als notwendiges Übel ansieht und dadurch den Status Bayerns als „Milchland“ zur Disposition stellt.
Am meisten Unverständnis und Kopfschütteln erzeugte die „Sorge“ Felßners, dass beim Einsatz Mengensteuernder Maßnahmen (und damit stabilerer Milchpreise) die bayrischen Milchbauern aufgrund ihrer höheren Produktionskosten benachteiligt werden könnten. Während er in der gegenwärtigen Situation (mit existenzbedrohenden Preisen) anscheinend keine Bedenken bezüglich dieser Tatsache habe.
Am Ende waren sich die teilnehmenden Landwirte einig, dass man mit BDM, MEG Milch Board und auch mit der Bayern MEG drei starke Organisationen hinter sich weiß. Welche mit guten Konzepten und klugen Ideen für die Milchbauern einstehen und zur Bewältigung der Krise beitragen können – wenn, die gesamte Branche den Mut findet neue Wege in der Milchvermarktung zu gehen. Die Probleme sind erkannt, Lösungen erarbeitet und nun gilt es den nächsten Schritt zu machen. Nach sechsstündigen Referaten und Diskussionen verließen die meisten Milcherzeuger Altenstadt mit der Meinung, dass in Krisenzeiten eine Steuerung des Marktes unerlässlich sei und die markt- und weltfremden Konzepte des Bayerischen Bauernverbandes schon in der ersten Krise nach Auslaufen der Milchquote gescheitert seien.