Wie geht es weiter mit der Landwirtschaft in Deutschland, insbesondere in Schleswig-Holstein? Wer vertritt zukünftig unsere Interessen in Berlin?
BDM-Mitglieder aus dem Kreis Segeberg „fühlen Politikern auf den Zahn“
Um Antworten auf diese und andere brennende Fragen zu finden, lud der Landesvorstand des BDM in Schleswig-Holstein zu einem Betriebsrundgang mit anschließender Podiumsdiskussion ein.
Die Veranstaltung fand am Montag, den 30.08.2021 auf dem Betrieb von Jörn Siemann in 23829 Kükels, Dorfstraße 12 statt.
Neben dem gesamten BDM-Landesvorstand nahmen weitere BDM-Mitglieder und Interessierte an dem Treffen teil.
Jörn Siemann, Betriebsleiter und BDM-Landesvorstandsmitglied begrüßte alle Gäste auf seinem Hof und stellte in einigen kurzen Sätzen den Familienbetrieb vor, dazu gab es einen eigens zusammengestellten Betriebsspiegel. Der Hof der Familie Siemann befindet sich in zentraler Dorflage, Jörn Siemann bewirtschaftet ihn an diesem Ort in 3. Generation. Aktuell gibt es auf dem Betrieb 90 Milchkühe, die Jahresleistung liegt bei ca. 10.000 kg Milch/ Kuh. Es werden ca. 177 ha landwirtschaftlich bewirtschaftet, außerdem wird Lohnarbeit verrichtet.
Bei dem Gang durch die Stallanlagen sprach Jörn Siemann die immer höheren Anforderungen an die Landwirtschaft an, die bisher nicht bezahlt werden. Für seine zukünftige Betriebsentwicklung sei die Umsetzung der Ergebnisse aus der „Borchert-Kommission“ richtungsweisend: Aktuell könne er nicht abschätzen, ob sich die neuen Regelungen mit seiner derzeitigen Betriebsführung in Einklang bringen lassen. Er stellte heraus, dass dies aber bei fast allen Betrieben so sei und dass deshalb dringend langfristige Planungssicherheit geschaffen werden müsse.
Nach dem einstündigen, sehr interessanten Betriebsrundgang wurde in die toll hergerichtete Maschinenhalle zur Podiumsdiskussion gebeten. Hier erwartete Karsten Hansen, Mitglied des BDM-Bundesvorstandes, die Gäste.
Unserer Einladung waren die Kandidierenden des Wahlkreises 8 für die Bundestagswahl
- Bengt Bergt (SPD)
- Jan Schupp (FDP) und
- Nils Bollenbach (Bündnis 90/ Die Grünen)
sowie der Bürgermeister der Gemeinde Schmalensee Sönke Siebke
von der CDU gefolgt.
Nach einer kurzen Vorstellung der Podiumsgäste ging es in die erste Diskussionsrunde.
Bundesvorstandsmitglied Hansen verdeutlichte gleich zu Beginn der Veranstaltung die Probleme vieler Landwirte in Schleswig-Holstein. 40% der Familienbetriebe sind in den vergangenen 10 Jahren verschwunden. Grund dafür war in vielen Fällen der zu geringe Milchpreis. Es ist bedenklich, dass es in den zurückliegenden 14 Jahren insgesamt nur 4 Jahre gab, in denen die Milchviehbetriebe ein positives Ergebnis erwirtschaften konnten. Besonders Hofnachfolger stellen sich vor dem Hintergrund der aktuell steigenden Kosten und gesellschaftlichen Anforderungen bei gleichbleibend niedrigen Milchpreisen vielfach die Frage nach der Zukunftsfähigkeit ihrer Betriebe.
Den Gästen aus der Politik wurde erläutert, welche Abhängigkeiten es auf dem Milchmarkt gibt und dass ein existierender Wettbewerb nicht vorhanden ist. Der BDM-Landesvorstand verwies in diesem Zusammenhang auf die aktuelle Wertschöpfungsstudie der Molkereien durch die MEG Milch Board, die diese Aussage bekräftigt.
Jan Schupp, (FDP) stellte notwendige Veränderungen im jetzigen System der Subventionszahlungen als besonders wichtig heraus. Gleichzeitig forderte er, dass der Verbraucher mehr in die Pflicht genommen werden muss, denn schließlich entscheidet der Verbraucher, was er zu zahlen bereit ist. Eingriffe in den Markt wird es dagegen mit der FDP nicht geben.
Nils Bollenbach von den Grünen stellte den Erhalt der Familienbetriebe und die regionale Erzeugung unserer Lebensmittel in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Nach seiner Auffassung ist es erforderlich, Lebensmitteln wieder mehr Wertschätzung entgegen zu bringen.
Nach Auffassung von Bengt Bergt, (SPD) muss die Politik für die erforderlichen Rahmenbedingungen sorgen, damit die Betriebe bestehen können. die Einführung eines Mindestlohnes von mindestens 12 € muss zahlbar sein. Für ihn und seine Partei sind verbindliche Standards auf EU-Ebene wichtig.
Sönke Siebke von der CDU und selbst Landwirt, Schweinemäster, sprach die sehr hohen Produktionsstandards in Deutschland an und forderte diese Standards unbedingt auch für Importe. Die drastisch sinkenden Erzeugerpreise kritisierte er deutlich.
Seine Empfehlung für die Landwirtschaftsbetriebe sei eine vielfältigere Ausrichtung, z.B. auf dem Energiesektor (PV).
In einer 2. Diskussionsrunde ging es dann um die Meiereigenossenschaften und die Marktkriseninstrumente.
Heiko Strüven vom BDM-Landesvorstand erläuterte den Gästen aus der Politik, dass die Familienbetriebe in der Landwirtschaft „in Generationen“ denken. Investitionen werden über 20-30 Jahre getätigt, da muss der Milchpreis stimmen. Es sind für Krisenzeiten Instrumente erforderlich, die schnell und unbürokratisch greifen können. Er wies darauf hin, dass es ökonomisch und ökologisch sinnfrei ist, etwas zu produzieren, was nicht benötigt wird.
Mit den Politikern wurde die Umsetzung der Marktkriseninstrumente und die Rolle Deutschlands innerhalb der EU diskutiert.
Jörn Sierck, ebenfalls Mitglied im BDM-Landesvorstand von Schleswig-Holstein, stellte die unterschiedliche Stellung von Landwirten und Molkereien in der Wertschöpfungskette heraus. Zum Beispiel sei Milch für „Arla“ nur ein Kostenfaktor. Sierck unterstrich, dass freie Märkte in dieser Branche nicht funktionieren, der Milchindustrieverband habe ganz einfach andere Interessen.
Insgesamt zeigten sich unsere Podiumsgäste sehr interessiert. Die Veranstaltung hat verdeutlicht, dass es wichtig ist, die brennenden Probleme der Milchviehhalter*innen unbedingt auch auf den Betrieben vor Ort aufzuzeigen.
Am 13.09.2021 geht es in Bollingstedt auf dem Betrieb der Familie Ernst-Jürgen Petersen in die nächste Runde.
Ein ganz herzliches Dankeschön geht an die gastgebende Familie Siemann in Kükels!
Euer BDM-Landesteam SH
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