Die Direktkandidaten der Regierungsparteien sowie von Bündnis 90/Grüne, SPD und FDP für die Stimmkreise 709 (Kempten-Oberallgäu) und 710 (Lindau-Sonthofen) hatte das BDM-Kreisteam Oberallgäu-Lindau zu einem gemeinsamen Gespräch mit Betriebsbesichtigung nach Oy-Mittelberg geladen und fast alle der Kandidaten folgten der Einladung.
BDM-Kreisteam Oberallgäu-Lindau diskutiert mit Landtagskandidaten
So konnten als schon aktuelle Parlamentarier die beiden Vizepräsidenten des Bayerischen Landtags, Thomas Gehring (B90/Grüne) und Alexander Hold (FW), sowie der umweltpolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Eric Beißwenger, begrüßt werden. Aus dem Wahlkreis Kempten hatten sich ebenso Joachim Konrad (CSU), Markus Reichert (B90/Grüne), Hans Jürgen Ulm (SPD) und Simon Schwendiger (FDP), die sich um die Nachfolge des langjährig direkt gewählten Abgeordneten und CSU-Haudegens Thomas Kreuzer bewerben, angesagt. Aus dem Stimmkreis Lindau-Sonthofen hatten sich Dr. Dominik Spitzer, für die FDP im Landtag vertreten, und Ulrike Müller (MdEP) aus terminlichen Gründen entschuldigt. Ebenso Markus Kubatschka als SPD-Direktkandidat. Viele altbekannte und freudige Gesichter traf BDM-Ehrenvorsitzender Romuald Schaber, der ebenfalls zugegen war.
Der Besuch begann zunächst mit einem kurzen Betriebsrundgang auf dem Betrieb Heiligensetzer, bei dem der Hofnachfolger eindrücklich auf die aktuellen Herausforderungen einging. So seien auch die Bio-Betriebe von einer sehr hohen Arbeitsbelastung bei nicht kostendeckenden Preisen betroffen. Die Investition in den 2015 bezogenen Stall sei nicht unerheblich gewesen und ein Wachsen über die aktuelle Belegung von 55 Kühen aufgrund der anfallenden Arbeiten nicht sinnvoll. Nach einigen Nachfragen der Kandidaten wurde das Gespräch in das benachbarte Vereinsheim verlegt, wo Kreisvorsitzender Markus Böckler auch die inhaltliche Begrüßung durchführte. Er machte hier klar, dass die Allgäuer Milchviehhalter zum großen Teil essentiell auf die Einnahmen aus der Milch angewiesen seien; das Allgäu durch Kulturlandbewirtschaftung, Umwelt- und Artenschutz sowie auch durch die wirtschaftliche Ankerfunktion aber auch auf die Milchviehhalter.
Im Besonderen strich Böckler heraus, dass der Milchmarkt eine gewisse Form von Mengenmanagement benötige, was sich in der Milchkrise 2015/16 deutlich bewahrheitet habe. Auch auf die vielen bürokratischen Zwänge, die sich gerade im Allgäu auch in den Vorgaben für Ausbringtechnik und -mengen zeige, ging Böckler ein. Hier sei bei den klimatischen Bedingungen im Oberallgäu mit einem Entzug von deutlich über 300 kg N/Hektar eine Deckelung bei 170 kg N komplett unverständlich und führe zur Nicht-Nutzung von wertvollem Wirtschaftsdünger. Ebenso kritisierte er den Zwang der Düngeverordnung, ab 2025 auch auf Grünland nur bodennah Wirtschaftsdünger ausbringen zu dürfen. Hier plädiere der BDM für Wahlfreiheit analog zur guten landwirtschaftlichen Praxis und kritisiere den Zwang -gerade in Anbetracht der seit Jahren wirtschaftlich angespannten Situation – sechsstellige Beträge in neue Landwirtschaftstechnik investieren zu müssen.
Relativ untypisch für die Schlussphase des Wahlkampfes waren inhaltliche Unterschiede oder gar offene Differenzen zwischen den Kandidaten nur mit der Lupe zu suchen bzw. zu finden. Sowohl schon politisch Verantwortliche als auch deren potenzielle Nachfolger machten die Bedeutung der Milchviehhaltung für das Allgäu deutlich. Ebenso einmütig war die Diagnose, wonach die aktuellen Milchpreise zu niedrig seien, um wirtschaftlich nachhaltig wirken zu können. Der Forderung, dass Landwirte sich mehr als Unternehmer mit unternehmerischer Verantwortung und dem entsprechenden Verständnis verstehen müssten, war ebenso Konsens in der Runde. Differenzen zum Thema Milch gab es somit nicht in Bezug auf die Diagnose, sondern eher in Bezug auf die Therapie: Während sich die grünen Vertreter klar auch für mengenbezogene Maßnahmen erwärmen konnten und ausdrücklich auf die vor wenigen Wochen unterzeichnete „Münchner Erklärung“ verwiesen und hier vom Vertreter der SPD unterstützt wurden, agierten die Christsozialen und Alexander Hold als Vertreter der Freien Wähler hier vorsichtiger; schlossen zwar nichts aus, bekannten sich allerdings auch nicht ausdrücklich.
Auch bei der Diskussion um den Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung zeigten sich ebenfalls nur kleine Unterschiede zwischen den Parteien. Während alle Anwesenden verbesserte Marktpositionen für die Milcherzeuger forderten und hier auch gerade die wünschenswerte Rolle als Unternehmer herausstellten, blieben auch hier Beißwenger und Konrad als Vertreter der CSU eher dem Genossenschaftsgedanken verpflichtet und warnten vor einer vorschnellen Infragestellung von Andienungs- und Abnahmeverpflichtung. Deutlich weiter ging hier der Grüne Gehring, der für sich und seine Partei deutlich machte, dass sie den Genossenschaftsgedanken deutlich hinterfragt hätten. Bei Genossenschaften mit zehntausenden Mitgliedern und Umsätzen in Milliardenhöhe könne nicht mehr von der automatischen Identität von Konzerninteresse und Interesse der einzelnen Mitglieder ausgegangen werden, so Gehring.
Das Gespräch, woran auch Vertreter des Allgäuer Bauernblattes – mit Chefredakteur Christian Aigner an der Spitze – teilnahmen, befasste sich auch mit weiter- oder tiefergehenden Sorgen der Landwirte. So waren hier die genannten Punkte: Die Herausforderungen durch überbordende Bürokratie und das häufig anzutreffende gesellschaftliche Misstrauen gegenüber der Landwirtschaft. Auch beim Bekenntnis zur Kombinationshaltung, im Allgäu eine weit verbreitete Form der Rinderhaltung, taten sich nur minimale Unterschiede zwischen den Kandidaten auf.
Einzig beim Thema „Wolf“ kam ein wenig Wallung in die Runde. Standen hier doch die beiden Grünen, die sich trotz des erkennbaren Unwillens noch bemühten, dem Wolf einen Restanspruch von Existenz zu attestieren, einer Phalanx von Milchviehhaltern und Vertretern der anderen Parteien gegenüber. Allerdings war auch hier die grüne Tendenz, die auch oft an der landespolitischen Spitze zu erkennen ist, alles möglichst ohne großen Konflikt und im Konsens zu lösen, erkennbar.
So endete die Runde, die von allen Seiten als interessant und bereichernd bezeichnet wurde, mit einem eindeutigen und fast schon als überparteilich zu bezeichnendem Bekenntnis der politisch Wirkenden zur Allgäuer Landwirtschaft und Milchviehhaltung. In Anbetracht der schon seit Monaten klaren Wahlumfragen und den getätigten Aussagen zu möglichen oder unmöglichen Koalitionen wohl nicht komplett unvorhersehbar.