Am 09. Oktober wird in Niedersachsen ein neuer Landtag gewählt. Vor diesem Hintergrund lud das BDM-Landesteam Niedersachsen Ende Juli Mitglieder, Fördermitglieder und Interessierte zu einem Betriebsrundgang mit anschließender Podiumsdiskussion in die Gemeinde Krummhörn auf den Hof der Familie Herta und Heiko Schulte ein.
Auf einem Bauernhof in Ostfriesland der Politik „auf den Zahn gefühlt“
Wie geht es weiter mit der Landwirtschaft in Deutschland, insbesondere in Niedersachsen? Wo sehen die Parteien notwendigen Handlungs- und Reformbedarf? Welche Änderungen der politischen Rahmenbedingungen bedarf es, um die Marktstellung der Milchviehhalter*innen nachhaltig zu verbessern?
Neben zahlreichen BDM-Mitgliedern aus der Region konnten auch viele interessierte Gäste zur Veranstaltung begrüßt werden, u.a. Hilke Looden, Bürgermeisterin der Gemeinde Krummhörn.
Heiko Schulte, Betriebsleiter und BDM-Kreisteamleiter, begrüßte die Gäste auf seinem Hof und stellte in einigen kurzen Sätzen den Familienbetrieb in Groothusen vor:
Im Schnitt gibt es auf dem Betrieb 80 Milchkühe + eigene Nachzucht unterschiedlicher Rassen, wie Rotbunte, Fleckvieh und Weißblaue Belgier. Für Familie Schulte stellt die Produktion von qualitativ hochwertigem Rindfleisch einen weiteren Betriebszweig neben der Milcherzeugung dar. Es werden ca. 63 ha bewirtschaftet. Schulte praktiziert auf seinem Betrieb Weidehaltung. Die Kühe sind am Tag auf den Weiden untergebracht, die weiter vom Hof entfernt liegen, nachts befinden sich die Tiere auf den hofnahen Flächen und können selbständig zwischen Stall und Weide pendeln.
Heiko Schulte begann den Betriebsrundgang in seinem 18 Jahre alten „Flüster-Melkstand“, den er sichtlich stolz präsentierte. Im Melkstand ist keine Milch- oder Spülleitung zu finden, diese wurden in einen eigens dafür ausgehobenen Keller verlegt. Der große Vorteil: neben einer deutlichen Verringerung des Geräuschpegels beim Melken, sind die Leitungen komplett wartungsfrei.
Beim Gang durch die Stallanlagen sprach der Betriebsleiter u.a. auch über mögliche Platzprobleme für seinen Betrieb durch die geänderte Tierschutztransportverordnung.
Nach dem halbstündigen, sehr interessanten Betriebsrundgang wurde in die extra hergerichtete Maschinenhalle zur Podiumsdiskussion gebeten. Hier begrüßte zunächst Peter Habbena, BDM-Landesteamleiter in Niedersachsen, noch einmal alle anwesenden Gäste zur Veranstaltung.
Es freue ihn sehr, so Habbena in seiner Begrüßung, „dass heute am Welttag des Naturschutzes so viele Interessierte den Weg auf den Weidelandbetrieb der Familie Schulte gefunden haben. Weidehaltung steht für Erhalt der Artenvielfalt und Biodiversität und leistet damit einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Umweltschutz“, so der BDM-Landesteamleiter weiter.
Ehe Peter Habbena an den Moderator der Podiumsdiskussion, Dr. Rolf Bünte, Leiter der Landwirtschaftskammer in Aurich, übergab, stellte er in kurzen Sätzen die Teilnehmenden der Diskussionsrunde vor:
– Sarah Buss (FDP),
– Karin Logemann (SPD),
– Garrelt Agena (Bündnis 90/ Die Grünen) sowie
– Prof. Dr. Ludwig Theuvsen (CDU).
In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der sich auch alle Gäste beteiligen konnten, standen die Wahlprüfsteine des BDM zur anstehenden Landtagswahl in Niedersachsen im Oktober im Mittelpunkt.
Diskutiert wurde zu den Themen der fehlenden Marktstellung der Milchviehhaltung, der Notwendigkeit einer transparenten Herkunftskennzeichnung, den ständig wachsenden Anforderungen an die Landwirtschaft und die hierfür fehlende Entlohnung, der notwendigen Transformation der Landwirtschaft und dem zu zögerlichen Verhalten der Politik in vielen Bereichen.
Sarah Buss, (FDP) stellte erneut heraus, dass es ein Eingreifen der Politik in den Markt mit ihrer Partei nicht geben werde, gleichzeitig sprach sie sich auch gegen Überregulation aus. Vorhandene Möglichkeiten, wie z.B. das Kartellrecht, müssten besser als bisher genutzt und umgesetzt werden. Sie plädierte dafür, nicht ständig mehr Fördermittel bereitzustellen, sondern eine Planbarkeit für die Landwirte zu ermöglichen.
Garrelt Agena von den Grünen, selbst Biolandwirt aus der Region, forderte von der Politik, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Landwirten eine Marktteilnahme zu ermöglichen, damit sie endlich fair entlohnt werden. Er betonte ausdrücklich, dass die Lebensmittel in unserem Land einen zu geringen Preis hätten und damit auch eine zu geringe Wertschätzung erführen. „Landwirtschaftspolitik ist keine Sozialpolitik“, so der Grünen-Politiker.
Nach Auffassung von Karin Logemann, (SPD) müssen die hohen Anforderungen an die Landwirtschaft auch bezahlt werden. „Lebensmittel müssen eine Schamgrenze haben, unter die darf der Preis nicht fallen“, so die agrarpolitische Sprecherin ihrer Partei im Niedersächsischen Landtag. Immer wieder verwies Logemann auf den „Niedersächsischen Weg“ als ein Paradebeispiel in Sachen Zusammenarbeit von Natur- und Umweltschutz sowie Landwirtschaft.
Prof. Dr. Ludwig Theuvsen von der CDU sieht eine entscheidende Rolle der Politik darin, dass die hohen Auflagen an die Landwirtschaft auch bezahlt würden. Dabei stelle dieses Entgelt für ihn dann keine Subventionen dar, sondern eine gerechte Entlohnung.
In einer Abschlussrunde wurden die vier Politiker von Gerd Oncken konkret gefragt: „Was will die Politik tun, um ein Höfesterben wie in den zurückliegenden Jahre zu verhindern?“
Karin Logemann forderte von den Landwirten divers zu denken, über den Tellerrand hinaus, auch Chancen zu erkennen, z.B. in Richtung Agro-Forst-Systeme.
Ludwig Theuvsen stellte als zentrales Ziel dar, die Landwirtschaft in der Mitte der Gesellschaft zu erhalten, dabei sei es wichtig, höhere Anforderungen mit preislichem Ausgleich zu begleiten. „Die Landwirtschaft darf sich dem Wandel nicht verschließen“, so der Staatssekretär aus dem Ministerium in Hannover. Dann sei er sich sicher, dass eine flächendeckende Landwirtschaft bleiben wird.
Garrelt Agena riet den Landwirten, die Transformation der Landwirtschaft als Chance zu begreifen.
Abschließend meldete sich Heiko Schulte noch mit einem deutlichen Schlussstatement in Richtung Politik zu Wort. Die Landwirte fühlen sich oft nicht mitgenommen. „Ich kann auf meinem Land nicht das machen, was notwendig und wichtig ist, um Geld zu verdienen“, so der Betriebsleiter aus Groothusen.
Kritisch äußerte er sich auch zum drohenden Verlust von Flächen für die Landwirtschaft durch das Wiedervernässen von Mooren und die Ausweisung von Vogelschutzgebieten, besonders in der Region Ostfriesland. Aktuell sieht Schulte auch nach diesem Vormittag, noch bei keiner Partei einen konstruktiven Lösungsansatz für die Herausforderungen an die Landwirtschaft.
Dieses Treffen hat verdeutlicht, dass es wichtig ist, die brennenden Probleme der Milchviehhalter*innen unbedingt auch auf den Betrieben vor Ort aufzuzeigen und mit der Politik zu diskutieren.
Mit Bratwurst vom Grill und lockeren Gesprächen endete die Veranstaltung.
Ein ganz herzliches Dankeschön geht an die gastgebende Familie Herta und Heiko sowie Henrik Schulte in Groothusen!
Terminhinweis: Nächste Politrunde am 01. September auf dem Betrieb Winter in Bohmte/ Hunteburg
Euer BDM-Landesteam Niedersachsen