Kandidierende aus dem Wahlkreis 1 zur Bundestagswahl stehen BDM-Mitgliedern und interessierten Gästen Rede und Antwort

Wieder war die Politik zu Gast auf einem Milchviehbetrieb in Schleswig-Holstein und wieder ging es darum, die Kandidierenden für den Deutschen Bundestag über die dramatische Situation auf unseren Höfen vor Ort zu informieren und unsere Forderungen eindringlich zu übermitteln.

Auch zu diesem Betriebsrundgang mit anschließender Podiumsdiskussion hatte der Landesvorstand des BDM in Schleswig-Holstein am Montag, den 13.09. 2021 eingeladen. Die Veranstaltung fand in Bollingstedt auf dem Hof der Familie Ernst-Jürgen Petersen statt.  Neben Mitgliedern des Landesvorstandes nahmen weitere Verbandsmitglieder sowie zahlreiche interessierte Gäste die Gelegenheit wahr, ihre Fragen an die Politik zu richten.

Betriebsleiter Ernst Jürgen Petersen, BDM-Teammitglied, begrüßte alle Teilnehmer*innen und stellte anhand eines Betriebsspiegels den Hof der Petersen GbR vor.
Aktuell werden auf dem Betrieb 239 Kühe gemolken, die Jahresleistung liegt bei ca. 10.500 kg Milch/ Kuh. Es werden 222 ha landwirtschaftlich bewirtschaftet, außerdem besteht eine Biogasbeteiligung.  In den letzten Jahren wurde stark in die technische Ausstattung des Betriebes investiert.

Beim Gang durch die Stallanlagen, die ständig an gesetzliche Anforderungen angepasst wurden, sprach Petersen auch über die aktuellen Vorschläge der “Borchert-Kommission“. Das Kuh-Fressplatz-Verhältnis in seinem Stall von 1,3 Kühe pro Fressplatz würde diesen Vorgaben schon nicht mehr entsprechen, auch die vorhandene Breite des Spaltengangs erfüllt die „Borchert-Kriterien“ nicht. Hier ist dringend die Politik gefordert, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, um damit für die Betriebe die notwendige langfristige Planungssicherheit zu ermöglichen.

Nach dem interessanten Einblick in die betrieblichen Abläufe bat Petersen in den 2015 neu gebauten Abkalbestall zur Podiumsdiskussion. Hier begrüßte Joachim Schoof, ebenfalls BDM-Teammitglied, nach einer kurzen persönlichen Vorstellung die Gäste aus der Politik und griff gleich die Worte von Ernst-Jürgen Petersen nach der fehlenden Planungssicherheit für die Milchviehhalter*innen in seiner Einstiegsfrage mit auf. Es fehle den Betrieben aktuell aber nicht nur die Planungssicherheit, es stelle sich vor allem die Frage nach der Vergütung der Landwirte für die Umsetzung der „Borchert-Anforderungen“.

Der Einladung des BDM waren die Kandidierenden des Wahlkreises 1 für die Bundestagswahl
-Franziska Brzezicha (SPD)
-Katrine Hoop (Die Linke)
-Christoph Anastasiadis (FDP) und
-Stefan Seidler (SSW)
sowie
-Heiner Rickers (CDU, Mitglied im Landtag von Schleswig-Holstein),
-Dirk Kock-Rohwer (Bündnis 90/ Die Grünen, Kandidat für die Landtagswahl 2022) und
-Rüdiger Andersen (Freie Wähler) gefolgt.

Nach einer kurzen persönlichen Vorstellung der Podiumsgäste ging es zu der vorgenannten Frage in eine erste Diskussionsrunde.  Franziska Brzezicha von der SPD stellte in ihrem Eingangsstatement heraus, dass sich die Erzeuger ganz unten in der Wertschöpfungskette befinden, hier fordert die SPD dringend eine Änderung unter Einbeziehung der europäischen Ebene. Dafür sind Lieferverträge wichtig. Sie plädiert für eine regionale Herkunftskennzeichnung. Katrine Hoop sieht ein entscheidendes Problem beim LEH. Dieser diktiert, weil die Politik nicht handelt. Dramatisch wird von den Linken das Vorpreschen des Handels bei den Standardvorgaben gesehen. Ihre Partei fordere außerdem Veränderungen im Kartellrecht, um die Branche der Milchviehbetriebe zu stärken.

Sehr ähnlich äußerten sich Stefan Seidler (SSW) und Christoph Anastasiadis von der FDP zum freien Markt. Eingriffe in diesen wird es mit ihren Parteien nicht geben. Weiterhin hält die FDP den Abbau von Handelshemmnissen, mehr Markttransparenz und einheitliche Standards auf europäischer Ebene für erforderlich. Der SSW sieht in einer gezielten regionalen Vermarktung sowie in der Gründung von Genossenschaften einen Lösungsansatz. Weiterhin wird der Systemwandel in der Landwirtschaft hin zur Bioproduktion unterstützt.

Joachim Schoof verwies darauf, dass Regeln am Markt änderbar sind. Der schwächste Marktpartner müsse nicht zwingend der schwächste bleiben. Die Politik muss für eine Gewichtungsänderung aber die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Er verwies in diesem Zusammenhang auch auf die Ergebnisse der Marktüberprüfung innerhalb der Branche durch das Kartellamt aus dem Jahr 2012. Immer wieder erhielten auch die Gäste aus dem Publikum Gelegenheit, ihre Fragen zu stellen. Joachim Schoof kritisierte im weiteren Verlauf der Diskussion die schlechte Stellung der Milchbauern am Markt und fragte die Parteien nach ihrer Sichtweise hierzu. Außerdem hob er hervor, dass ein auskömmlicher Milchpreis über den Markt erzielt werden muss. Auch hierzu erbat er eine kurze Stellungnahme.

Heiner Rickers von der CDU lobte den BDM für die Beharrlichkeit der letzten Jahre. Seine Partei habe, zumindest auf Landesebene, in den zurückliegenden Monaten dazugelernt. Durch Instrumente wie die Marktbeobachtungsstelle auf EU-Ebene und den Freiwilligen Lieferverzicht können Krisen frühzeitig erkannt und schnell reagiert werden.

Heiko Strüven, BDM-Landesvorstandsmitglied, machte zusammenfassend noch einmal die gesamte Dramatik auf den Höfen deutlich: „Borchert“ ist wichtig und gut, aber es wird vor allem ein gewinnbringender Milchpreis über den Markt benötigt. Es sei wichtig, dass die Landwirte endlich loskommen vom „Image der Subventionsempfänger“ und in der Öffentlichkeit als Lebensmittelproduzenten wahrgenommen werden.  In einem emotionalen Schlusswort machte Ursula Trede noch einmal auf die Dringlichkeit der Umsetzung der Forderungen des BDM aufmerksam und appellierte an die Gäste aus der Politik, die vorgestellten Lösungsansätze unseres Verbandes mit nach Berlin zu nehmen.
Ein ganz herzliches Dankeschön geht wiederum an die Gastgeber Familie Petersen in Bollingstedt!
Euere BDM-Landesteam