Zu diesem Fazit kam Birgit Krueger, Leiterin der Grundsatzabteilung am Bundeskartellamt, bei ihrer Rede auf dem 5. Oberpfälzer Milchviehtag in Neunburg vorm Wald. Unter dem Titel "Milchproduktion im Spannungsfeld zwischen Politik, Markt und gesellschaftlicher Akzeptanz" hatte das Fachzentrum Rinderhaltung und die örtlichen MEGs wieder ein interessantes und fachkundigen Podiums zusammengestellt, auf dem auch Landwirtschaftsminister Helmut Brunner und Prof. Dr. Alfons Balmann, Direktor des Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) und Leiter der Abteilung Strukturwandel, Platz nahmen.
BY: „Nach der Milchkrise ist vor der Milchkrise“
Sichtlich freute sich Brunner über die spontane Unterstützung einiger BDM-Milchviehhalter, die sich mit einem unübersehbaren Plakat für seinen Einsatz in den vergangenen zwei Jahren bedankten.
Nach der Begrüßung durch den stellvertretenden Landrat des Landkreises Schwandorf, Arnold Kimmerl und Reinhold Witt vom AELF Schwandorf übernahm Minister Brunner das Mikrofon und machte sofort deutlich, dass es „Weiter-so“ in der Milchpolitik nicht geben dürfe. Es sei den Steuerzahlern schlichtweg nicht zu vermitteln, dass wiederkehrend Milliarden-Programme aufgelegt werden müssten, um einen kompletten Absturz des Marktes zu verhindern. „Jeder will Anteil am guten Milchpreis haben, aber wenn alle mehr Milch liefern, dann wird es wieder zu Stockungen kommen“, so Brunner, der daraus den Schluss „Die Zeche zahlen immer Sie“ zog. Daher sei es unumgänglich, EU-weit geltende Leitplanken einzuziehen und im Krisenfall die Milchproduktion verpflichtend für alle zu reduzieren. Die vergangene Krise habe gezeigt, dass auch eine vorübergehende Reduzierung der Angebotsmenge eine bedeutende psychologische Wirkung auf den Markt habe, so der bayerische Staatsminister. Allerdings gelte es auch, dass antiquierte Liefer- und Vertragssystem zwischen Erzeugern und Verarbeitern aufzubrechen, so Brunner.
Diesem Apell konnte sich Birgit Krueger als Leiterin der Grundsatzabteilung des BKartA nur anschließen. Zum Wohl der Milcherzeuger, aber auch der Molkereien sei es wichtig, ein Mengen-Management aufzubauen, da Abnahmepflicht und langfristige Verträge vor allem die Verhandlungsposition des Handels stärkten und somit Erzeuger und Verarbeiter schwächten, so Krueger. Ebenso sei die nachträgliche Preisfestlegung durch die Molkereien ein Sachverhalt, der ebenso eine einseitige Risikoverteilung zu Ungunsten der Milchviehhalter darstelle. Hier sei ein Mengen-Management unverzichtbar, um die „Spirale“ an wiederkehrenden Krisen zu durchbrechen.
Prof. Dr. Alfons Balmann thematisierte Tierwohldiskussion, Düngeprobleme, Treibhausemmissionen, Verlust des Artenreichtums und Insektensterben. Diese Fragen erzeugten einen permanenten Rechtfertigungsbedarf auf Seiten der Milchviehhalter gegenüber der Gesellschaft. „Viele Vorwürfe sind nicht ganz unberechtigt“, so der Wissenschaftler. Die Landwirte stünden nunmehr in der Pflicht einer selbstkritischen und ehrlichen Analyse, um verlorenes Vertrauen wieder zurück zu gewinnen. Sämtliche Konflikte seien daher unmittelbar verknüpft mit dem „Mythos einer bäuerlichen Landwirtschaft“. „Die Landwirtschaft muss sich erklären wie sie wirklich ist“, so Prof. Balmann.
Weitere Praxisvorträge kamen von Wolfgang Kürzinger, Milchviehhalter aus Prosdorf, und Junglandwirt Florian Götz. Ersterer stellte sich während der Milchkrise 2009 die Frage: „Wie kann ich als Milcherzeuger Mehrwert den Verbrauchern anbieten?“, so Kürzinger. Als dann seine Molkerei das Regionalprodukt „Ein gutes Stück Bayern“ ins Leben rief, sei er sofort mit dabei gewesen. Dieses Label stehe für gentechnikfreie Fütterung, hohe Tierwohlstandards und für Regionalität. Er habe nur positive Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Einstieg in dieses Label gemacht, so Kürzinger. Allgemein empfinde er die Tierwohldiskussion als Chance, um die Verbraucher besser zu erreichen.
Auch Junglandwirt Florian Götz setzt voll auf Kuhkomfort. „Wenn es unseren Tieren gut geht, dann geht es uns Milchbauern auch gut!“, so das nicht ganz schlüssige Fazit seiner Ausführungen. Seine Milchkühe hätten viel Licht, Luft und Platz, eine weiche Strohmatratze und jederzeit Zugang zum Auslauf. Kritisch äußerte er sich gegenüber Labels im Milchsektor, die ohne vertraglich geregelte Mindestlaufzeit höhere Haltungsstandards einforderten. Der Milchbauer dürfe nicht das gesamte Risiko tragen und auf seinem Mehraufwand sitzen bleiben, falls die Nachfrage nach den gelabelten Milchprodukten beim Verbraucher ausbleibe.