BY: „Zwei, drei Prozent zu viel – und hundert Prozent sind nichts wert“

Mit diesem eindringlichen Satz eröffnete Mattias Lohmeier, Landkreisvorsitzender im Kreis Erding, die diesjährige Jahreshauptversammlung, zu dem er neben vielen Milchviehhaltern auch etliche Ehrengäste aus Landwirtschaft und Politik begrüßen konnte. Er verwies damit auf die gestiegene Milchmenge in Europa, die weder im Binnenmarkt noch international zu adäquaten Preisen abgesetzt werden könne und somit weltweit den Milchmarkt mit extremen Verlusten für die Erzeuger belaste.

Viele BDM-Aktionen, die auch tatkräftig vom Kreisteam Erding unterstützt wurden, standen im Zentrum des anschließenden Jahresrückblicks 2015. Angefangen bei politischen Gesprächen, über die Mahnfeueraktion zum Tag der Milch am 1. Juni bis hin zum Endpunkt der BDM-Staffelfahrt nach München zeigte das Kreisteam bei vielen Aktionen Präsenz und Engagement. Weitere Höhepunkte des Jahres waren ebenso der, von Protesten der Milchbauern begleitete Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Erbach, die große EMB-Protestaktion in Brüssel und die Agrarministerkonferenz in Fulda, die mit unnachahmlichen BDM-Aktionen neue Weichen in der Politik gestellt habe.
Ebenso im Jahresbericht blickte Lohmeier auf die Situation auf dem Milchmarkt zurück: Die Milchmarktkrise, die sich schon 2014 abzeichnete, habe 2015 und 2016 die Milchviehhalter voll erwischt und stelle nunmehr auch die Existenz von Betrieben in Frage, die sich in den vergangen Jahren „entwickelt“ hätten. Schon vor einem Jahr sei deutlich gewesen, dass der Milchmarkt die zu erwartende Mehrmenge aus der EU nicht aufnehmen könne und somit ein neues Preistief vor den Erzeugern läge. Trotzdem wurden die ausgewogenen Krisenmechanismen, die BDM konzipiert und vorgeschlagen hat, nicht umgesetzt. Mit der Folge, dass heute der europäische Steuerzahler wieder über Liquiditätsprogramme für die Untätigkeit der Politik in die Pflicht genommen werde.
Im Anschluss übermittelte der stellvertretende Landrat Jakob Schwimmer (CSU) das Grußwort des Landkreises. Hier führte er aus, dass die Landwirtschaft essentiell zum Fortbestand der Gemeinden sei und diese schließlich auch die Grundlage des Landkreises Erding. Er hoffe, dass das Importverbot Russlands für europäischen Milchprodukte bald der Vergangenheit angehöre und sich somit die Situation der Milchviehhalter entspanne. Die Sanktionen der EU gegen Russland seien ebenso schädlich und stünden einer Einigung mit Russland entgegen, so Schwimmer in einem geopolitischen Exkurs. Die wenigen Beanstandungen des Landwirtschaftsamtes unter den knapp 700 Milchviehbetrieben im Landkreis zeuge von der qualitativ hochwertigen Milchproduktion und somit sei das Landratsamt gerne bereit im Rahmen der Möglichkeiten an einer Stabilisierung des Milchmarktes mitzuwirken.
Das sich anschließende Kernreferat durch Josef Schilcher, Berater im Bereich Investitionsförderung im AELF Erding. Dieser referierte in seinem Vortrag zur Neuausgestaltung der Förderinstrumenten, wo vor allem KULAP und die EIF im Vordergrund standen. In Bezug auf die Düngeverordnung verlautbarte Schindler, dass ab 2020 für alle Betriebe mit einer Bestandzahl über 3 GV/Hektar eine neunmonatige Lagerkapazität vorweisen müssten, während Betriebe mit weniger als 3 GV bei der sechsmonatigen Anforderungen bleiben würden.  Ziel der bayerischen Agrarpolitik bleibe weiter, das Überleben von kleinen und mittelständischen Betrieben zu ermöglichen und gleichzeitig das Tierwohl zu erhöhen. Dies sei auch Kern der EIF, die unter anderem bei Stallneubauten auf die Belegzahl, die Breite von Fressgängen und die Ausstattung mit Auslauf ausgerichtet sei.
Zum Thema Milchmenge wurden die Ansichten allerdings weniger nachvollziehbar. So könne die Milchmenge, laut Schindler, durch eine europaweit konsequente Einhaltung der baulichen und genehmigungsrechtlichen Standards begrenzt werden, da eine so schnelle Ausdehnung der Milchmenge nicht rechtskonform zu erreichen sei. In Bezug auf die Buchführungsergebnisse verlangte Schindler eine deutliche Umverteilung zu Gunsten der kleineren – Milchvieh – Betrieb in Süddeutschland, da aufgrund der nicht zu rechtfertigenden Förderstruktur gerade Großbetriebe im Norden und Osten zu Lasten einer vielfältigen Landwirtschaft übervorteilt wurden. Auch aus diesem Grunde – allerdings vor allem wegen der katastrophalen Milchpreise – seien die Betriebsergebnisse im Landkreis Erding deutlich gefallen. Auf vielen Höfen sei ein betriebswirtschaftlicher Verlust entstanden und selbst bei den „besseren“ Betrieben sei mit einem zunehmenden Verzehr des Eigenkapitals zu rechnen. Ebenso besorgniserregend sei die Situation, dass schon einige Betriebe die Verschuldung mit dem vollen Wert der eigenen Flächen aufwiegen müssten. Den Aufwuchs der Bio-Schiene bewertete Schindler positiv, allerdings sei zweifelhaft, ob sich viele Erzeuger dieser Linie anschließen könnten, ohne das Bio-Segment wiederum mengenmäßig zu belasten. Ebenso sei zu bedenken, dass durch die Neuverhandlungen der EEG-Einspeisung die Gefahr bestehe, dass viele „Aussteiger“ mit, durch Ökostrom gefüllte „Kriegskassen“ in die Milchviehhaltung zurückkehren könnten und bei der Gleichung „1 KW = 1 Kuh“ den Markt neuerlich schwer belasten könnten.
Die sich anschließende Diskussion war geprägt von Diskussionen zwischen den anwesenden Milcherzeugern und den regionalen Vertretern des Bauernverbandes, welche – trotz aller Gegensätze – von der Gemeinsamkeit geprägt war, dass alle viehhaltenden Betriebe inzwischen in ihrer Existenz gefährdet seien und es dringend politische Aktionen zur Verbesserung der Lage brauche.

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