Diese Auffassung vertraten sowohl Grünen-Fraktionsvorsitzender Ludwig Hartmann als auch die agrarpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Gisela Sengl, im Rahmen einer Pressekonferenz im bayerischen Landtag. Für eine wissenschaftliche Fundierung der Machbarkeit hat die Fraktion das Freisinger Beratungsunternehmen Ecozept mit Dr. Bernhard Schaer an der Spitze beauftragt, den ambitionierten Vorhaben ein wissenschaftliches Plazet zu erteilen.
BY: Bayerische Grüne halten 30%-Bio-Ziel des Volksbegehrens für machbar
Zur Erinnerung: Im Rahmen des Artenschutz-Volksbegehrens wurde auch der Vorschlag, bis zum Jahr 2030 mindestens 30% der landwirtschaftlichen Produktion biologisch zu erzeugen, durch den Landtag im Rahmen des sogenannten „Versöhnungsgesetzes“ angenommen.
Inhaltlich stellen sich die Grünen zum Erreichen des 30%-Ziels vor allem eine konsequente Umstellung von öffentlichen Speiseangeboten – beispielsweise in Kantinen, Schulen oder Kitas – auf Bio-Produkte vor. Ebenso müsse die Datenbasis zum Verbrauch von Bio-Lebensmitteln, die, so Sengl aktuell nicht verfügbar sei, deutlich verbreitert und verbessert werden.
Als dritte konkrete Maßnahme fordern die Grünen die Installation eines eigenen Referats „Biolandbau“ sowohl im Bayerischen Landwirtschaftsministerium als auch im Landesamt für Landwirtschaft. Die Umsetzung dieser Forderungen sei, so Fraktionsvorsitzender Hartmann, so dringlich, da Bayern keinesfalls, wie von der Staatsregierung proklamiert, in der Bioerzeugung bundesweit in einer Führungsrolle wäre. Dies stimme aufgrund der Größe Bayerns nur in absoluten Zahlen, der wirkliche Anteil der Bio-Produktion sei allerdings in anderen Bundesländern (Baden-Württemberg mit 15%, Saarland mit 16%) deutlich höher als in Bayern, mit einem Anteil von nur 11%, so Hartmann.
Den inhaltlich spannenderen Teil hatte der Geschäftsführer von Ecozept, Dr. Schaer, beizutragen. Dieser führte aus, dass der Biomarkt sich seit Jahren, darunter auch in den wirtschaftlichen Krisenjahren 2009/2010, stets deutlich positiv entwickelt habe. Somit stehe neben der wachsenden Umstellungsbereitschaft der Landwirte eine stetig wachsende Nachfrage der Verbraucher gegenüber. Zur Dynamisierung dieser Entwicklung sei es allerdings erforderlich, den Erzeugern eine glaubwürdige Garantie zur kostendeckenden Abnahme der erzeugten Bio-Produkte zu bieten, so Dr. Schaer. Dies sei möglich, wenn sich alle Stellen der Wertschöpfungskette für einen sicheren Absatz bei auskömmlichen Erzeugerpreisen engagieren würden und gleichzeitig die Verbraucher nachdrücklich zu einer Umstellung des individuellen Verbrauchs angehalten würden.
Den, von Schaer postulierten, Preisabstand zwischen konventionellen und Bio-Produkten von ca. 30% muss man mit Blick auf den nahezu nicht mehr existenten Preisabstand zwischen Bio-Trinkmilch und herkömmlich erzeugter Trinkmilch sicherlich in Zweifel gezogen werden. Es wird somit deutlich, dass man die verschiedenen Segmente eines „Bio-Marktes“ nicht über einen Kamm scheren kann: Während der Bio-Milchmarkt selbst schon Anzeichen eines Überangebots mit den entsprechenden preislichen Konsequenzen und eines teilweise bestehenden Aufnahmestopps durch die Molkereien zeigt, sei in anderen Bereichen sicherlich zusätzliche Produktion durch den Markt gefragt und stellt hier eine klare Alternative für umstiegsinteressierte Erzeuger dar.
Sehr interessant waren auch die Ausführungen Dr. Schaers, wonach die geforderte, deutliche Ausweitung des Biomarktes binnen eines guten Jahrzehnts nur mit Rückgriff auf die großen Nahrungsmittelkonzerne möglich sei. Die Frage, inwieweit auch bei großen Verarbeitern das Interesse an einer, auch den Erzeugerbedürfnissen verpflichteten Wertschöpfungskette, sichergestellt werden könne, konnte auch Dr. Schaers nur in Teilen beantworten: Sicherlich seien hierfür langfristige Vertragsstrukturen zwischen Erzeugern und Verarbeitern bzw. Handel von Nöten. Ob hierbei auch oder ausschließlich ordnungsrechtlich vorzugehen sei, sei allerdings noch nicht ersichtlich – sicherlich sei allerdings ein Blick nach Frankreich und die dort geltenden Gesetze zum Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis nicht falsch.
Diese Pressekonferenz zeigte somit, dass der Beschluss des sogenannten „Versöhnungsgesetzes“ durch den Landtag der mit Abstand leichteste Schritt war, die konkrete Realisierung von ambitionierten Maßnahmen aber auf einem ganz anderen Stück Papier steht.