Eine alte ökonomische Grundregel des bäuerlichen Risikomanagements lautet, drei Ernten zu bevorraten: eine Ernte auf dem Halm, eine in der Scheune und eine dritte auf dem Bankkonto. Könnte diese Grundregel heute noch befolgt werden, würden die landwirtschaftlichen Betriebe die Situation der momentanen Trockenheit wesentlich leichter überstehen.
Verluste durch Wetterextreme nur über höhere Markterlöse aufzufangen
„Leider hat die Ausgestaltung der Agrarmarktpolitik die Befolgung dieses wirtschaftlichen Grundsatzes völlig unmöglich gemacht. Um die Ernährungsindustrie mit billigen Rohstoffen versorgen zu können, werden wir Bäuerinnen und Bauern gezwungen, dauerhaft auf Kante genäht zu wirtschaften“, erklärt BDM-Bundesvorsitzender Stefan Mann. „Hinzu kommt, dass die Milchviehbetriebe in wiederkehrenden Milchkrisen alle Reserven aufgebraucht haben, nötige Investitionen zurückgestellt haben und zusätzliche Kredite aufnehmen mussten – kurz: massiv geschwächt vor einem Wetterextrem stehen, das ein robuster und wirtschaftlich gesunder Betrieb normalerweise abfedern können sollte. So aber sind wir bei jeder Wetterkapriole mehr oder weniger gezwungen, bei der Politik als Bittsteller aufzutreten und um finanzielle Hilfen zu bitten. Das ist kein zukunftsfähiges Konzept für die Milchviehhalter!“
Immer mehr Betriebe, die sich mit Futterzukäufen über die Futterengpässe, die durch die Trockenheit entstehen, hinweghelfen müssen, geraten in zunehmende Liquiditätsschwierigkeiten. Eine vorzeitige Auszahlung der Agrargelder, wie sie gelegentlich gefordert wird, ist dabei nur ein Tropfen auf den heißen Stein und verlagert die Liquiditätsprobleme, da das Geld dann am Jahresende für die fälligen Pachtzahlungen und andere finanzielle Verpflichtungen fehlt.
Angesichts einer so ausgedehnten Wetterproblematik in Mittel- und Nordeuropa muss die Lösung nach Ansicht des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter in erster Linie beim Einkommen der Landwirte ansetzen. Alle finanziellen Hilfen aus öffentlicher Hand werden nur unzureichende Ergebnisse bringen.
„Die Abnehmer in allen Bereichen der Landwirtschaft sind gefordert, beim Handel und vor allem der verarbeitenden Industrie sofort deutlich höhere Verkaufspreise umzusetzen. Es ist nicht verständlich, dass sich die Getreidepreise beispielsweise bei Mindererträgen von 30 bis 50 % nicht um mindestens die gleiche Größenordnung nach oben bewegen. Im Milchsektor müssen sich ebenfalls die Erwartungen einer zurückgehenden Milchanlieferung umgehend in Preisanhebungen wiederfinden“, fordert Stefan Mann. „Es ist ein Unding, dass aktuell darüber diskutiert wird, dass bei umgekehrter Marktentwicklung die Marktsignale früher bei den Milcherzeugern ankommen sollen, also die Milcherzeugerpreise schneller – trotz noch laufender Verträge – gesenkt werden sollen, aber in einer Situation wie der aktuellen Markt- und Preissignale offenbar ausgeblendet werden.“
Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter appelliert an Bundesministerin Julia Klöckner, insbesondere die milchverarbeitende Industrie in die Pflicht zu nehmen, die nötigen Preiserhöhungen zu realisieren bzw. da wo sie von Handelsseite bereits erfolgt sind, die Mehrerlöse auch vollständig an die Milchviehbetriebe auszukehren. Auf europäischer Ebene müssen unbedingt weitere Auslagerungen von Milchpulver aus der Intervention gestoppt werden, damit dadurch die Milchpreise nicht zusätzlich unter Druck geraten. Nur über höhere Markterlöse kommt die dringend benötigte Liquidität auf die Betriebe. Mittel- und langfristig muss es gelingen, die Gemeinsame Marktordnung so auszugestalten, dass die alte ökonomische Grundregel, auf mindestens „drei Ernten“ zurückgreifen zu können, umsetzbar ist. „Die in den letzten Jahrzehnten regelmäßig immer wiederkehrenden Marktkrisen sowie die Ausrichtung der Agrarmarktpolitik, die Ernährungsindustrie mit billigen Rohstoffen zu versorgen, hat uns in eine Sackgasse geführt“, stellt Stefan Mann fest. „Zunehmende Wetterextreme sind auch durch Versicherungslösungen nicht in den Griff zu bekommen. Derartige Versicherungen wären extrem teuer oder würden angesichts ausgedehnter Wetterkapriolen sehr schnell an ihre Grenzen stoßen.“