Erwiderung Eckhard Heuser Art. 148 GMO – Offener Brief

Sehr geehrter Herr Heuser,

die Diskussionen um die Umsetzung des Artikel 148 GMO in nationales Recht werden sehr kontrovers geführt, da schreckt man offenbar auch vor fragwürdigen Schein-Argumenten nicht zurück.

Kann die reine Vorgabe des Staates, dass vor der Lieferung eines Produktes ein Preis sowie die Mengen und die Lieferdauer vertraglich vereinbart werden müssen, schon als Eingriff in die Marktwirtschaft bezeichnet werden, wo doch die konkreten Vertragsinhalte zwischen den Verhandlungspartnern weiterhin frei verhandelbar bleiben? Wir meinen nicht! Vor allem auch deshalb nicht, weil die Molkereiunternehmen uns Milcherzeugern ebenfalls nicht zugestehen, für die erfolgte Lieferung eine Rechnung auszustellen.
Natürlich werden auch heute schon, vor allem mit Privatmolkereien, Rohmilchlieferverträge abgeschlossen, doch in den seltensten Fällen wissen wir Milcherzeuger, welchen ganz konkreten Preis wir für die von uns gelieferte Milch erhalten, schon gar nicht über einen längeren Zeitraum hinweg. Da kann man nicht von Planungssicherheit sprechen – ganz im Gegensatz zur Molkereiwirtschaft.

Für die Molkereiwirtschaft bestehen in mehrfacher Hinsicht längerfristige Planungssicherheiten:

  • Preiszugeständnisse, die sie gegenüber ihren Abnehmern machen, können umgehend an die Milcherzeuger weitergegeben werden. Damit geht das Preisrisiko der Molkerei gegen Null.
  • Die Vertragslaufzeiten sind in der Regel längerfristig angelegt ohne Möglichkeit für die Milcherzeuger, bei Uneinigkeit über den Milcherzeugerpreis aus dem Vertrag herauszukommen.
  • Die Möglichkeit, zumindest für einen Teil der erzeugten Rohmilch sich mit einem weiteren Abnehmer zu vereinbaren, wird ausgeschlossen. Das Rohstoffrisiko der Molkereien geht damit ebenfalls gegen Null.

Bezeichnend auch Ihre Aussage und die in den Genossenschaften gelebte Praxis, dass der Genossenschaftsvorstand den Milchpreis bestimmt. In einer Marktwirtschaft sollte gelten, dass sich der Preis auf Grundlage von Angebot und Nachfrage bildet. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns wieder an die Aussage einer Molkereiführungskraft, die lautete: „Sie (wir Milcherzeuger) bekommen nicht das, was übrig bleibt, sondern das, was wir ihnen geben wollen“.

Was daran problematisch sein soll, wenn Erzeuger A etwas anderes fordert als Erzeuger B, erschließt sich uns nicht. Könnte damit nicht ein Wettbewerb um bessere Erzeugerpreise angekurbelt werden?

Sie suggerieren, dass mit der Umsetzung des Artikels 148 GMO in nationales Recht eine Verpflichtung für die Molkereien verbunden ist, 80 % der Milchmenge an den Börsen abzusichern. Von einer derartigen Verpflichtung kann jedoch keine Rede sein. Das sind bewusst gezündete Nebelkerzen, die einzig der Verunsicherung der Milcherzeuger dienen sollen. Ist es nicht vielmehr so, dass Sie das Marktrisiko, das Sie bisher so unproblematisch auf die Milcherzeuger abgewälzt haben, selbst auf keinen Fall auch nur in Teilen tragen wollen und nach Möglichkeiten suchen, sich hier abzusichern? Was für die Milcherzeuger recht ist, ist für Sie also nicht billig? Wir weisen darauf hin, dass schon heute in vielen Molkereiunternehmen der Absatz der Milchprodukte über Vertragsvereinbarungen mit entsprechenden Laufzeiten abgesichert sein dürfte.

Ob die Situation, dass wir in Deutschland bessere Milchpreise als in Frankreich und Spanien haben, auch zukünftig Bestand haben wird, muss sich erst noch zeigen. Erste Anzeichen könnten eine Umkehr andeuten, zudem ist in Art. 148 GMO keine Vorgabe zu finden, wonach der Artikel nur anwendbar ist, wenn der Sitz des Käufers in Deutschland ist.

Wir versichern Ihnen, wir wollen den Markt nicht aushebeln, wir wollen vielmehr ein Marktpartner werden, der ernst zu nehmen ist. Die Branche hat nach der Milchmarktkrise 2015/16 laut getönt, Lösungen auf freiwilliger Basis zu erarbeiten und damit politisches Handeln überflüssig zu machen. Die Branchenstrategie 2030 war das Ergebnis, die Sie jetzt ebenfalls als Lösung benennen. Weder die von Ihnen zitierte Initiative Milch noch QM-Milch haben die Marktsituation für die Erzeuger jedoch auch nur einen Millimeter nennenswert verbessert. Überspitztes Resümee: Außer Spesen nicht viel gewesen!
Bei den Diskussionen um die Strategie 2030 der Molkereiwirtschaft waren „kleinere“ Erzeugerverbände gar nicht mit am Verhandlungstisch. Der BDM war dabei, aber er sollte aufgrund einer eigens geschaffenen Sonderregelung lediglich in den Arbeitsgruppen mitarbeiten dürfen. Entschieden wurde im sogenannten Lenkungsgremium, da hat man den Vertreterinnen und Vertretern des BDM e.V. den Zugang verweigert. Dass unsere Entscheidung, die Strategie 2030, die qua Entscheidung des Lenkungsgremiums keinen von uns für elementar erachteten marktpolitischen Ansatz mehr enthielt, nicht mitzutragen, letztlich begründet war, zeigt die fehlende positive Wirkung der in der Strategie 2030 enthaltenen Maßnahmen.
Auch heute noch verwehren sich die Verbände der Molkereiwirtschaft samt Bauernverband allen Überlegungen, wie mit marktwirtschaftlichen Instrumenten die Marktstellung von uns Milcherzeugern gestärkt, aufziehenden Marktkrisen entgegengewirkt und mit wirkungsvollem Marktmanagement über den Verkauf unserer Agrarprodukte ein gewinnbringendes Einkommen erzielt werden könnte.

An den „Verhandlungstisch“ zurückzukehren, würde nur dann Sinn machen, wenn es eine grundsätzliche Bereitschaft der Molkereiwirtschaft gäbe, über eine Verbesserung der Verhandlungsposition der Milcherzeuger wirklich verhandeln zu wollen. Dass sie dazu überhaupt nicht bereit ist, zeigt geradezu exemplarisch die Vehemenz, mit der gegen die nationale Umsetzung von Art. 148 GMO gekämpft wird.

Mit freundlichen Grüßen

Karsten Hansen
Vorsitzender des BDM-Bundesvorstandes

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