Der Fraktionsvorsitzende auf Zeit der bayerischen Grünen in Gumperting bei Teisendorf: Johannes Becher (MdL) besucht den Milchviehbetrieb der Familie Aschauer

Da Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze aktuell in Elternzeit ist, steht der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Johannes Becher seit Sommer 2024 vorübergehend an der Spitze der Grünen im Bayerischen Landtag. Anlass genug für Albert und Elisabeth Aschauer, den Juristen auf ihren Hof in Gumperting bei Teisendorf einzuladen. Geprägt war der Besuch am 1. Oktober 2024 von einem intensiven Gespräch über die Herausforderungen der Milchbauern, ein Themenfeld, für das der Grünen-Politiker als Neuling in der Agrarpolitik echtes Interesse zeigte.

Becher, der seit 2018 Landtagsabgeordneter ist, hat bislang seinen Arbeitsschwerpunkt vor allem im Bereich soziale Gerechtigkeit gesetzt und war während seiner erste Legislaturperiode Vize-Vorsitzender der Kinderkommission des Landtags und Sprecher seiner Fraktion für frühkindliche Bildung und kommunale Fragen. Seit Langem engagiert er sich auch in der Kommunalpolitik, etwa als Kreisrat im Landkreis Freising und zuvor als Bezirksrat im Bezirk Oberbayern. Bechers Herzensanliegen, die Sicherung sozialer Chancen für Kinder und Jugendliche, spiegelte auch sein Besuch im örtlichen Kindergarten wider, der dem Hoftermin vorausging.

Milchpreis im Fokus: Das Wohl von Mensch und Tier

Auf dem Hof der Aschauers, einem traditionellen Milchviehbetrieb, der als einer der ersten in der Region von Anbinde- auf Laufstallhaltung umgebaut hatte, stand eine zentrale Frage im Mittelpunkt: Wie kann ein fairer Milchpreis erreicht werden? „Alle reden vom Tierwohl, aber bei der Diskussion um einen fairen Milchpreis geht es vor allem auch um das Wohl der Menschen, die hinter diesem Grundnahrungsmittel stehen“, betonte Albert Aschauer gleich zu Beginn des Gesprächs. Seine Frau Elisabeth, BDM-Vorsitzende des Kreisverbands BGL, ergänzte: „Nur wenn es den Menschen in der Landwirtschaft gut geht, können wir eine hohe Qualität in der Tierhaltung und eine nachhaltige Bewirtschaftung garantieren.“

In der Nähe der energieeffizienten Hackschnitzelanlage des Betriebes informierte sich Becher, der selbst keine agrarpolitischen Wurzeln hat, in einem ausführlichen Werkstattgespräch über die wirtschaftlichen Herausforderungen der Milchbauern. Bei bayerischen Weißwürsten erläuterte Josef Hocheder, ein erfahrener Milchbauer aus dem Berchtesgadener Land, die Mechanismen der Milchpreisbildung: „Alles dreht sich um die Menge“, erklärte Hocheder. „Ein geringes Überangebot von nur 2 bis 3 Prozent reicht aus, um den Erzeugerpreis dramatisch sinken zu lassen.“ Sepp Schmid, ebenfalls Landwirt, ergänzte: „Das ist systembedingt und führt dazu, dass der Milchpreis regelmäßig einbricht, sobald mehr Milch auf den Markt kommt, als eigentlich gebraucht wird.“

Ohne Vertrag und ausgeliefert: Bechers kritische Fragen

Johannes Becher zeigte sich von der prekären Situation vieler Milchbauern betroffen und erkundigte sich, warum es in der Branche keine verlässlichen Verträge gebe: „Wie kann es sein, dass in der Milchproduktion keine klaren Vereinbarungen getroffen werden?“ Er bekam zur Antwort, dass die Ursachen für die aktuelle Situation vielschichtig und historisch gewachsen seien. Elisabeth Aschauer richtete den Blick in die Zukunft: „Es geht um Perspektiven, nicht nur für uns, sondern vor allem für die nächste Generation. Eine nachhaltige Landwirtschaft kann nur funktionieren, wenn der Milchpreis langfristig so gestaltet ist, dass er kostendeckend ist, die Existenz sichert und Investitionen ermöglicht.“

Der Kampf um einen fairen Milchpreis: eine unendliche Geschichte?

Auch wenn die Milchpreise zuletzt wieder leicht gestiegen seien, warnte Josef Hocheder eindringlich davor, sich von kurzfristigen Erfolgen blenden zu lassen. „Es ist immer das gleiche Spiel“, erklärte er. „Sobald die Nachfrage nach Milch kurzfristig steigt, steigen auch die Preise. Das führt aber dazu, dass wieder mehr produziert wird, und dann fällt der Preis schnell wieder auf ein Niveau, das kaum zum Überleben reicht.“ Hocheder, der sein Leben lang melkt, stellte klar, dass nach so langer Zeit eigentlich genug Geld auf dem Konto sein müsste, um in moderne Ställe und Technik zu investieren. „Aber genau das ist nicht der Fall“, so sein nüchternes Fazit. Die politische Fokussierung auf intensive Bewirtschaftung und kurzfristige Gewinnsteigerung habe in den vergangenen Jahrzehnten eine gesunde, nachhaltige Entwicklung der Milchviehbetriebe verhindert.

Vertragsinitiativen: Hoffnungsschimmer für Milchbauern

In der Diskussion um mögliche Lösungsansätze erinnerte Sepp Schmid daran, dass auch die Freien Wähler mit Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger längst erkannt hätten, dass an der Einführung von Milchlieferverträgen kein Weg vorbeiführe. „Aiwanger hat beim BDM-Milchbauernabend im Kloster Reutberg vor vollem Zelt deutlich gemacht, dass der Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) umgesetzt werden muss.“ „Dies abzulehnen ist genauso grotesk wie die Vorstellung, sich bei Aldi den Einkaufswagen voll zu laden, die Produkte zu verzehren und am Ende des Monats einen frei gewählten Betrag an Aldi zu überweisen“, zitierte Schmid den stellvertretenden Ministerpräsident. Aiwangers Vergleich verdeutliche die absurde Situation, in der sich die Milchbauern und im Grunde auch die Schweinehalter befänden.

Allerdings waren es die Grünen, die das Thema in den Landtag einbrachten. In der „Münchner Erklärung zum Milchmarkt“, die von mehreren Verbänden und Parteien, darunter BDM, AbL, BUND und SPD, unterstützt wird, betonte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann, dass die wirtschaftliche Realität der Milchviehbetriebe endlich anerkannt werden müsse. „Der vermeintlich noch hohe Milchpreis von 40 Cent/kg im Vergleich zu den Milchpreisen der vergangenen Jahre und der letzten Milchmarktkrisen darf nicht zur Verharmlosung der Situation verleiten“, heißt es in der Erklärung in 2023, und weiter: „Handeln bedeutet Verantwortung für Gesellschaft, Umwelt und Tierwohl zu übernehmen!“

Mutige Schritte in eine nachhaltige Zukunft

In der Diskussion mit den Landwirten zeigte sich Johannes Becher pragmatisch und betonte die Notwendigkeit von Veränderungen auf bundespolitischer Ebene. „Menschen machen Fehler, aber es gibt immer die Möglichkeit, sie zu korrigieren“, so Becher. Er stehe für eine Politik der Mitte, die Lösungen für die Zukunft finde – auch für die Landwirtschaft. „Jetzt ist die Zeit für mutige Schritte“, so Becher. „Wir müssen eine funktionierende Zukunft schaffen – nicht nur für die Verbraucher, sondern vor allem auch für die Milchbauern, die mit ihrer Grünlandbewirtschaftung einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

Beim Blick auf die Kälber der Aschauers betonte er noch einmal, dass es letztlich um die Zukunft der nächsten Generation gehe – sowohl um die Zukunft der Tiere im Stall als auch um die Zukunft der jungen Menschen, die ihre Perspektive in der Landwirtschaft suchen. „Wir müssen weg von Schuldzuweisungen und hin zu konstruktiven Lösungen. Nur so können wir eine nachhaltige Landwirtschaft schaffen, die Mensch und Tier gerecht wird. Dafür brauchen wir marktwirtschaftliche Perspektiven, die die Bäuerinnen und Bauern unabhängig von Steuergeldern machen“, so MdL Johannes Becher beim abschließenden Gruppenfoto vor dem BDM-Plakat.

v.l.n.r.: Elisabeth Aschauer, Albert Aschauer, Sepp Schmid, Johannes Becher MdL, Karl Mayerhofer